Nachhaltigkeit im Fokus der neuen BauGB-Novelle

GALK-Präsident Rüdiger Dittmar im Gespräch zum Bundeskabinettsbeschluss

Herr Dittmar, die vorliegende, vom Bundeskabinett beschlossene und nun auf den parlamentarischen Weg gebrachte Novellierung des Baugesetzbuches verfolgt mit dem Bezug auf die "Neue Leipzig-Charta" eine zentrale Ausrichtung des Städtebaurechts auf eine nachhaltige und am Allgemeinwohl orientierte Stadtentwicklungspolitik. Direkt in den Grundsätzen der Abwägung (neuer § 1b Abs. 1) wird die "Neue Leipzig-Charta" mit ihrer zentralen Zielsetzung aufgenommen. Wie bewerten Sie diese Ausrichtung? Es fehlen in der weiteren Änderung des Gesetzestextes Ausführungen, diese neue Zielsetzung zu konkretisieren. Ist die Novelle auf halber Strecke steckengeblieben?
Bauleitplanung Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz (GALK)
Der GALK-Präsident Rüdiger Dittmar kommentiert den vom Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf zur Baugesetz-Novelle. Foto: Privat

Zunächst muss ich sagen, dass mich der rasche Kabinettsbeschluss zur BauGB-Novelle doch überrascht hat. Und es freut mich sehr, dass die Grundsätze der "Neuen Leipzig-Charta" Einzug in das BauGB gefunden haben. Gerade mit dem neuen § 1b "Grundsätze der Abwägung" gibt der Bundesgesetzgeber ein klares Leitbild für die künftige Bauleitplanung vor. Die Aufzählung der drei Dimensionen der nachhaltigen Stadtentwicklung – die gerechte, grüne und produktive Stadt – stellt das Allgemeinwohl ins Zentrum der Stadtentwicklung.

Erstmals wird neben der baulichen Innenentwicklung auch ausdrücklich die Entwicklung von Grün- und Freiflächen als konkrete Zielsetzung benannt. Dieser Schritt war lange überfällig und stellt aus meiner Sicht ein wesentliches Versäumnis der Vergangenheit dar. Im gleichen Paragrafen wird nun auch den Erfordernissen der Klimaanpassung Rechnung getragen und die Annäherung an den naturnahen Wasserhaushalt gefordert.

Dies sind gute Grundlagen für eine nachhaltige und generationengerechte Stadtentwicklung, die wir als GALK schon lange fordern und selbstverständlich unterstützen. Unser gerade neu erschienenes Positionspapier "Zukunft Stadt = grün" zeigt hierfür nicht nur viele gute und umsetzbare Ansätze, sondern auch notwendige und dringend gebotene Voraussetzungen.

Ja, aus meiner Sicht wird bereits im neuen § 1c "Abwägungsmaterial" deutlich, dass die Abwägung der vielfältig aufgezählten Belange nicht dazu führt, zielgerichtet neue Wege zu beschreiten. Aus meiner täglichen kommunalen Arbeit ist mir bewusst, dass häufig widerstrebende Belange abzuwägen sind und in jeder Situation vor Ort eine Abwägung unter den jeweiligen aktuellen Anforderungen getroffen werden muss.

In der vorliegenden Novelle sehe ich leider nicht ausreichend konkret, wie die bisher viel zu oft zurückgestellten Notwendigkeiten einer stadtweiten Grünraumversorgung oder der Durchgrünung neuer und bestehender Quartiere ausreichend Rechnung getragen wird. Dies gilt auch für das dringend gebotene Ziel den Wasserhaushalt unserer Städte wieder naturnäheren Verhältnissen anzugleichen. Wir müssen aufpassen, dass hier nicht der Weg zum "weiter so" geebnet wird, sondern die guten Ansätze der Novelle gestärkt werden.

Welches sind denn aus Ihrer Sicht gute Ansätze?

Wichtig ist, dass der Festsetzungskatalog im § 9 Abs. 1 beispielsweise auch Einrichtungen von Anlagen ermöglicht, die der Vermeidung oder Verringerung von Schäden durch Hochwasser und Starkregen dienen. Ergänzt werden sollten hier Maßnahmen, die zur Einhaltung einer natürlichen Wasserhaushaltsbilanz dienen. Herauszustellen ist auch die Ergänzung im § 136 Abs. 2 "Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen", die jetzt die Festsetzung von Sanierungsgebieten ermöglichen, um grün-blaue Infrastrukturen zu verbessern.

So können künftig Sanierungsgebiete ausgewiesen werden, wenn diese erheblich unter den Folgen des Klimawandels, zum Beispiel durch Hitzebelastung oder Überflutungen leiden oder Missstände, zum Beispiel bei der Versorgung mit Grün- und Freiflächen aufweisen. Außerdem sind die Vorkaufsrechte der Kommunen für Flächenankäufe gestärkt worden, das ist ein zentraler Aspekt, denn die Flächenknappheit ist das wesentliche Hindernis und die Flächenverfügbarkeit der bedeutende Schlüssel für eine nachhaltige Stadtentwicklung.

Die Novelle verzichtet auf die Einführung von Orientierungswerten und auf einen für alle nachvollziehbaren grundstückbezogenen Grünflächenfaktor. Vielmehr wird ein recht komplizierter Versiegelungsfaktor eingeführt werden. Können Sie damit arbeiten?

Neben der Flächenverfügbarkeit ist die bewusste und gesteuerte Flächenaufteilung das wesentliche Element einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung. Hier fehlt es an Klarheit und aus meiner Sicht auch an Entschlossenheit in der vorliegenden Novelle. Ein grundstücksbezogener Grünflächenfaktor wäre hier ein guter und wirkungsvoller Lösungsansatz. Orientierungswerte für eine angemessene Grünversorgung unserer Städte können sicherlich als Arbeitsgrundlagen dienen.

Allerdings muss dann im zweiten Schritt auch geregelt werden, wie diese Einzug in die konkrete Planung halten sollen. In diesem Sinn ist der Versiegelungsfaktor vielleicht als Zwischenschritt zu sehen. Mit einem grundstücksbezogenen Grünflächenfaktor könnte dagegen klar geregelt werden, wie viel Fläche auf dem jeweiligen Grundstück unversiegelt bliebe um ein Mindestmaß an Ökosystemleistungen zu gewährleisten. Der Versiegelungsfaktor kann daher nur ein erster Schritt sein. Er kann eine wassersensiblere Stadtentwicklung unterstützen, gleichzeitig aber auch zu kleinteiligen Lösungen führen, welche behaftet mit vielen Detailfragen eine wirkungsvolle Umsetzung in der täglichen Praxis erschweren werden.

Immerhin findet sich im neu angefügten Satz in § 34 Abs. 1 Satz 3 ein zentrales Element. Dieser gibt den Kommunen die Möglichkeit, zur Klimaanpassung eigene Satzungen zu erlassen. Wie beurteilen Sie dieses Instrument?

Hier ist ein wichtiger zusätzlicher Satz 4 eingefügt worden: "Die Gemeinde kann durch Satzung die ergänzenden Anforderungen nach Satz 3 für das Gemeindegebiet oder Teile davon näher bestimmen." Durch diese Satzung können ergänzende und eindeutig zu formulierende Anforderungen im Sinne des "Einfügens" gestellt werden. Diese ergänzenden Anforderungen an Vorhaben nach § 34 BauGB können dann einen entsprechenden Anpassungsbedarf zur Klimaanpassung einfordern, die sich beispielsweise aus Klimarisikoanalysen, Klimaanpassungskonzepten, Starkregenkarten oder Hitzebelastungskarten ergeben.

Dies ist aus meiner Sicht ein zentraler Inhalt, um den Kommunen einen deutlich größeren Handlungsspielraum im unbeplanten Innenbereich zu geben. Eine textliche Klarstellung wäre hier noch wichtig. Nämlich, dass in die Satzung alle Anforderungen aufgenommen werden, die auch als Festsetzungen gemäß § 9 BauGB Bestandteil eines Bebauungsplans sein können. Zu schließen ist dann noch die Lücke in Gebieten mit älteren Bebauungsplänen.

Hier muss ebenfalls die Möglichkeit gegeben werden, ergänzende Anforderungen an Vorhaben zu formulieren, wenn diesbezüglich keine oder nicht ausreichende Vorgaben getroffen wurden. Insgesamt sind dies wesentliche Punkte der vorliegenden Novelle, die den Kommunen und damit den vor Ort Handelnden ein wichtiges Instrument in die Hand geben, mit grün-blauer Infrastruktur einen bedeutenden Schritt Richtung der Verbesserung von Lebensqualität und Klimaanpassung zu gehen.

Herr Dittmar, vielen Dank für dieses Gespräch!

Fragen Mechthild Klett

SUG-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Leitung des Fachdienstes Stadtentwicklung und..., Sehnde  ansehen
Fachkraft (m/w/d) für die technische..., Pullach im Isartal  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle grüne Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen