Gartenkünstler zwischen Nazigrößen und DDR-Prominenz

Karl Foersters Schattenseiten

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Zum 150. Geburtstag ist von Dr. Clemens Alexander Wimmer das Buch „Gärtner der Nation. Die vier Leben des Karl Foerster“, erschienen. Foerster, eine Ikone der Gartengestaltung wird von bisher unbekannten und teils auch sehr negativen Seiten gezeigt. Im Gespräch mit dem Autor stellen wir das Buch vor.
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1 Eva Foerster, Karl Foerster und Walter Funcke. Foto: beatefoto

Fragen und Chronik: Mechthild Klett

Hr. Dr. Wimmer, der Titel des Buches, das Sie zu Karl Foersters 150. Geburtstag im März dieses Jahres veröffentlicht haben, lautet "Gärtner der Nation. Die vier Leben des Karl Foerster". Warum heben sie so auf die Nation ab?

Karl Foerster wurde, ausgehend von der DDR-Presse, als "größter Gärtner Deutschlands" vermarktet und mit einem DDR-Nationalpreis bedacht. Dies war ganz in seinem Sinne. Er gebrauchte den Namenszusatz "Nationalpreisträger" gern, sah aber ganz Deutschland als sein Wirkungsgebiet an. Im "Blütengarten der Zukunft" schloss er 1917 auch Österreich-Ungarn mit ein. Darüber hinaus war es sein Bestreben, weltweit zu wirken. Er ließ Weltkarten zeichnen mit Bornim als Mittelpunkt, von dem Strahlen in alle Welt ausgehen, zu Orten, in die er Stauden geliefert hat. Entsprechend wollte er auch seine Bücher in fremde Sprachen übersetzen lassen. Dazu fand sich jedoch kein Verlag bereit.

Sie zeigen Foerster als genialen, esoterischen, neoromantischen und fast übergangslos nationalistischen Menschen, der in die NSDAP eintrat, und zwischen 1933 und 1945 aus seinem engen faschistischen Netzwerk Großaufträge erhielt. Darf man Karl-Foerster-Gärten jetzt noch schön finden? Anders gefragt, darf zwischen Werk und Autor unterschieden werden?

Werk und Autor sind niemals zu trennen. Dieses Problem haben wir mit vielen Menschen und ihren Werken. Wir müssen damit zurechtkommen, dass Menschen nicht nur gute oder nur schlechte Eigenschaften haben und Werke von ihnen gut und Äußerungen von ihnen richtig sein können, auch wenn wir ihr Denken und Handeln mehr oder weniger ablehnen müssen. Das ist auch ein Grundprinzip der Denkmalpflege. Bedeutende Bauten und Gärten sind zu erhalten, unabhängig davon, ob mit ihnen positive oder negative Erinnerungen verbunden sind.

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2 Dr. Clemens Alexander Wimmer, veröffentlichte zum 150. Geburtstag von Karl Foerster "Gärtner der Nation. Die vier Leben des Karls Foerster". Foto: Ines Hübner
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3 Clemens Alexander Wimmer: "Gärtner der Nation. Die vier Leben des Karl Foerster" ist im VDG-Verlag Weimar erschienen. Abb.: VDG-Verlag
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4 Die von Reichsjugendführer der NSDAP Baldur von Schirach herausgegebene Zeitschrift Wille und Macht mit Beitrag von Karl Foerster aus dem Jahr 1937. Foto: C. A. Wimmer

Foerster war nicht nur ein genialer Gartengestalter, Staudenzüchter und -händler – und Autor von 24 Büchern, sondern auch gewiefter Unternehmer und talentierter PR-Mann in eigener Sache. Welchen Anteil hatten seine umsatzstarken Unternehmen an seiner schillernden Karriere?

Es wird gern erzählt, Foerster habe nichts vom Geld verstanden, es sei ihm egal gewesen. Es stimmt, dass ihn Buchhaltung nicht interessierte und dass er Geld oft bedenkenlos ausgab, sehr zum Entsetzen seiner Geschäftsführer. Er verschenkte oft Stauden, sparte nicht an Repräsentation – denken Sie etwa an das vergoldete Kunstschmiedegitter an seiner Haustür – oder an der eigenen Bequemlichkeit, etwa auf Reisen, wo er in den besten Hotels abstieg. Manchmal wurde er betrogen, weil er sich nicht genug um die Geschäftsführung kümmerte. Dennoch war er als erfolgreicher Geschäftsmann an Gewinnmaximierung interessiert. Dies zeigt sich an der stetigen Ausweitung seiner Betriebe, an den hartnäckigen Honorarverhandlungen mit seinen Verlegern und nicht zuletzt daran, dass er lukrative Aufträge suchte und annahm, auch wenn sie von der Wehrmacht, der Rüstungsindustrie und dem Reichstatthalter im Warthegau kamen.

Zwei Haltungen Foersters fallen immer wieder auf: Einerseits die Aufladung der Natur mit neoromantischer Mystik und die Fähigkeit, dies in wortschöpferischen Metaphern und Bildern teils voller Klischees in seinen erfolgreichen Büchern auszudrücken. Und andererseits die Übertragung der Natur auf die Gesellschaft. Machte ihn das vielleicht blind für die Realität von Politik und Gesellschaft?

Er hatte sich in der Jugend sein eigenes Weltbild aufgebaut, und daran hielt er unter allen Umständen fest. Sein bekannter, unerschütterlicher Optimismus hatte die Kehrseite, dass er auch die Gefahren politischer Systeme ausblendete. Voller Sendungsbewusstsein, glaubte er sein großes Ziel, die Erziehung eines "deutschen Gartenvolkes", im Dritten Reich gut aufgehoben. Er erwartete Förderung von Seiten des NS-Staates, wenn er sich nur ein wenig geschmeidig erwies. Ähnlich verhielt er sich in der DDR, obwohl er mit dem Sozialismus in keiner Weise sympathisierte. Wenn Bekannte von ihm durch das Regime zu Tode kamen, ignorierte er das unter Hitler und auch später in der DDR.

Zugleich war er in der Lage, den Zeitgeist immer wieder für sich zu vereinnahmen, indem er antisemitische, kriegsverharmlosende und antidemokratische Äußerungen an die richtigen Kanäle sendete und auf die Wortwahl der Nationalsozialisten achtete, Blut und Boden, Führerprinzip, Schönheit der Arbeit etc. Zugleich konnte er durch seine humorvolle Art Menschen für sich gewinnen. Wie erklären Sie sich, dass er in sich so große Widersprüche vereinen konnte?

"Kein Mensch ist eindeutig, keiner", sagte Eva Foerster. Es ist übrigens nicht so, dass Foerster sich bedingungslos der Nazidiktion unterwarf. Er hatte seine eigenen Ansichten und Wortschöpfungen, in die er manchmal Nazivokabular einflocht, wo es ihm passend schien. Zweifellos wollte er sich damit andienen, andererseits meinte er mit seiner Sprache stets, genügend Abstand zu wahren, um auch bei Regimekritikern anschlussfähig zu bleiben. So hielt er es unter anderem mit dem Antisemitismus. Einerseits schätzte er ihm persönlich bekannte Juden, andererseits übernahm er die Doktrin von der Schädlichkeit des "Weltjudentums". Öffentlich hielt er sich mit Äußerungen über Juden zurück. Er glaubte, mit seiner ausgefeilten Formulierungskunst, Linke, Rechte, Juden und Volksdeutsche gleichermaßen für sich einzunehmen zu können. Man muss immer bedenken: Foerster war Unternehmer, und schon aus diesem Grunde wollte er es sich mit keinem möglichen Kunden verderben.

Seine wichtigste Methode war dabei die Umwertung von Werten und die Inanspruchnahme von Werten, die er gleichzeitig anderen verwehrte, wenn er Auslese und Schutz der Stärksten befürwortete, aber als Jugendlicher besonders darunter gelitten hatte, als schwach und krank zu gelten. Besonders deutlich wird dies bei seiner Initiative, die schon in den 1920er Jahren begonnen hatte, botanischen Namen deutsche beizufügen. Hier spielte das Deutsche eine große Rolle. In Anlehnung an Nietzsche wurden etwa Gladiolen zu Überblumen, alle Deutschen sollten statt in Mietskasernen in eigenen kleinen Höfen leben, auf eigenem Grund und Boden – so seine Forderungen. Gleichzeitig hält er Gleichheit für den verlogensten Begriff. Typisch für die Zeit oder nur typisch für Karl Foerster?

Ich habe nicht den Eindruck, dass Foerster für den Nationalismus besonders anfällig war. Hier wirkte die Haltung seiner Eltern nach. Er widersprach der bei einigen besonders eifrigen Kollegen, insbesondere Willy Lange, beliebten Ansicht, es gäbe einen typisch deutschen oder arischen Garten. Er glaubte, sein Gartenmodell sei universell und tauge weltweit als Vorbild. Erst als das Deutsche nach Kriegsbeginn gründlich abgewertet wurde, widersprach er vehement und glaubte, in dieser Sache mehr dann je als politischer Autor hervortreten zu müssen, im schroffen Widerspruch zu seinem Bruder Friedrich Wilhelm. Die Sache mit den deutschen Pflanzennamen ist im Kern berechtigt und nicht in nationalistischem Denken begründet.

Foersters Weltbild bildete sich um 1900 heraus und wurde damals von vielen, wenn auch keineswegs von den meisten, geteilt. Es hatte etwas Elitäres an sich und ließ sich für Foerster gut mit sozialromantischen Ideen verbinden. Er glaubte, dass die Menschen im eigenen Haus und Garten ihre Individualität pflegen könnten. Vorbild sollten dabei seine eigenen Gärten in Bornim sein, die bezeichnenderweise von der Umgebung völlig abgeschirmt waren. Er begrüßte daher die anfangs von den Nationalsozialisten, insbesondere von seinem Freund Gottfried Feder, propagierte Siedlungspolitik. Dabei übersah er, dass die egalisierende Blut- und Boden-Ideologie im Grunde mit seinem Individualismusstreben unvereinbar war. Das Konzept vom eigenen Garten für alle, wie auch immer es Foerster weltanschaulich untermauern mochte, diente auch seinen Geschäftsinteressen. Wer einen Garten hat, braucht Pflanzen und womöglich auch einen Gartenentwurf.

Frauen sollten nicht nur Haus-, sondern auch Gartenfrauen sein, er nahm die Fähigkeiten seiner Frau Eva voll in Anspruch, ohne dass sie ein eigenes Leben als ausgebildete Sängerin hätte führen können, was sie immer wieder an den Rand der Erschöpfung brachte. Kritik an seinem metaphysisch aufgeladenen Naturbild nimmt er ironisch vorweg und hegt sie ein. War er ein Narzisst?

Ich fürchte, da haben Sie recht. Will man es erklären, muss man in seine Kindheit und Jugend schauen. Als drittes Kind seiner Eltern war er sehr verwöhnt, als Jugendlicher hatte er gesundheitlich schwer zu leiden und fühlte sich benachteiligt gegenüber seinen erfolgreichen Geschwistern. Nur ein gesteigertes Selbstbewusstsein ermöglichte ihm den Aufstieg in einem Sektor, der ihm nicht in die Wiege gelegt war. Als Außenseiter ohne fachliche Reputation mit Ausnahme seiner Gärtnerlehre baute er mehrere Unternehmen auf. Das erforderte schon ein großes Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen.

Viele Bekannte, Geschäftspartner und Freunde Karl Foersters mussten ab 1938 das Land verlassen, weil sie Repressalien fürchteten oder schon erlitten hatten. Sein Vetter Korvettenkapitän a. D. Günther Paschen wurde 1943 hingerichtet, weil er den Krieg und Hitler verurteilt hatte, was der Gestapo zugetragen wurde. Hier bleibt Karl Foerster merkwürdig still und passiv. Diese Ereignisse müssen doch in der Familie diskutiert worden sein, gibt es dazu keine Unterlagen mehr?

Tatsächlich gibt es keine. Einerseits vertraute man solch heikle Sachen eher nicht dem Papier an, andererseits wurden die meisten Unterlagen vor 1945 vernichtet. Menschen, die Foerster gut kannten, haben ausgesagt, dass er politischen Diskussionen mit Andersdenkenden aus dem Weg ging, und so hat er wahrscheinlich wie die meisten Deutschen über die Gräueltaten der Nazis hinweggesehen. In einigen Fällen hat er verfolgte Juden unterstützt, allerdings im Rahmen des Zulässigen. Seine Frau versteckte auch kurzfristig untergetauchte Juden. Inwieweit er selbst in diese gefährlichen Maßnahmen eingebunden war, ist unklar.

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5 Dr. jur. Max Immanuel, jüdischer Herkunft, reiste mit Foerster im Jahr 1926 nach Korsika, 1938 musste er in die USA emigirieren. Repro: C. A. Wimmer
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6 Karl Foersters jüdische Freundin Beate Hahn schrieb 1935 zum letzten Mal in der von Foerster gegründeten Zeitschrift Gartenschönheit und emigrierte 1938 mit ihren Töchtern nach New York. Foto: Familie Beate Hahn
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7 Dr. Hans Friedrich Blunck (1888–1961) Präsident der Reichsschrifttumskammer, die die Gleichschaltung der literarischen Produktion im Sinne der Nationalsozialisten vorantrieb und Juden ausschloss. Er lobte 1937 auf Foersters Aufforderung sein Buch Garten als Zauberschüssel. Foto: Illustrierte Weltschau, Beilage zur Deutschen Rundschau in Polen. 1934, Nr. 37 . Repro: archive.org
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8 Foerster wird für seine hervorragenden Leistungen auf dem Gebiet des Gartenbaus von Nationalsozialist und Reichsbauernführer Richard Walther Darrè ausgezeichnet. Foto: Clemens Alexander Wimmer

1944 machte Foerster einen Umsatz von 1,2 Millionen Reichsmark, veröffentlichte zwischen 1933 und 1945 allein 13 Bücher und dutzende Artikel. Wie konnte solch umsatzreiches Geschäftsgebaren im Nachkriegsdeutschland ignoriert werden, wo doch grade im sowjetisch besetzten Sektor Überprüfungen von Unternehmen stattfanden, bei denen der wirtschaftliche Nutzen der Nazi-Zeit untersucht wurde?

Die Entnazifizierung wurde in der sowjetischen Zone teils noch laxer gehandhabt als in den westlichen Zonen. Konkret scheint es daran gelegen zu haben, dass die Sowjets an seinen Stauden und seinem Know-how als Reparationsleistungen interessiert waren und mindestens zwei der zuständigen Besatzungsoffiziere ihn kannten. Wäre er an andere Offiziere geraten, hätte die Sache durchaus desaströs für ihn ausgehen können.

In der DDR wiederholt sich das Schema. Foerster übernimmt einen Auftrag für Otto Grotewohl, ab 1949 Ministerpräsident der DDR, und wird – ohne Abitur – mit der Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität geehrt, erhält den Nationalpreis III. Klasse, erhält den Vaterländischen Verdienstorden in Silber und die Johannes R. Becher Medaille in Gold, gilt als Verdienter Züchter. Das Narrativ der Inneren Immigration, und das abstrakte Böse des Krieges relativieren erfolgreich seine völkischen und antisemitischen Haltungen. Als es Foerster wirtschaftlich schlecht geht, steigt der Staat in seine Gärtnerei mit ein und überführt sie später in einen VEB, Volkseigenen Betrieb. Wieso hatte es Foerster so einfach?

Als die DDR aus dem Gröbsten heraus war und außer dem Gemüseanbau auch Zierpflanzen wieder in den Blick gerieten, wurden in seinen Stauden wertvolle Wirtschaftsleistungen gesehen, deren Wert abzuschöpfen war. Der Einstieg des Staates in die Firma lag im staatlichen Interesse. Außerdem brauchte man Gallionsfiguren, die kulturelle Leistungen der DDR über die zeitlichen und politischen Grenzen hinweg verkörpern konnten, und davon gab es nicht allzu viele. Deshalb beschwiegen einflussreiche Kollegen wie Pniower und Funcke, die in der DDR geblieben waren und sich zum Sozialismus bekannten, die problematischen Teile von Foersters Vergangenheit, obwohl sie sie recht gut kannten.

Wer verehrte Größen der grünen Branche in diesem neuen Licht zeigt, muss sich gelegentlich als Nestbeschmutzer bezeichnen lassen. Wie waren die Reaktionen auf Ihr Buch?

Sehr unterschiedlich. Wer eine festgelegte Meinung zu Foerster hat, will sie sich unter keinen Umständen nehmen lassen. So werden selbst klar belegte Fakten schlichtweg ignoriert. Hier lebt die in der DDR aufgebrachte Heldenverehrung ungeschmälert fort. Ein Potsdamer Verehrer Foersters sagte mir kürzlich, nach Lektüre meines Buches verehre er ihn noch mehr. Andererseits wird mein Buch als eine Warnung vor dem Rechtsextremismus der Gegenwart gesehen.

Ihr Buch zeigt auf, dass sich Menschen, die in der grünen Branche arbeiten, positionieren müssen und sich nicht auf ihr scheinbar unpolitisches, fachliches Arbeiten zurückziehen dürfen, wenn etwa humane Werte, die Demokratie verteidigt werden sollen. Ist die grüne Branche heute verantwortungsvoll genug?

Es gehört zu den gängigen Falschmeldungen, Foerster habe sich auf fachliches Arbeiten zurückgezogen. Im Gegenteil hat er immer versucht, seine Arbeit in einen politischen Kontext zu stellen. Wie Sie schon angedeutet haben, war er keineswegs ein "innerer Emigrant". Er legte vielmehr großen Wert darauf, politisch mitzureden und zwar nicht als Oppositioneller. Insofern kann man von Foersters Irrtümern lernen, als grüne Branche und überhaupt. Auch ein Zurückziehen auf die fachliche Arbeit wäre immerhin eine bessere Position als wie Foerster lautstark das Führerprinzip zu befürworten und zur Durchsetzung der eigenen Ideen Zwangsmaßnahmen zu fordern wie Arbeitslager für Siedler oder Verordnungen über Pflanzennamen.

Sie haben zehn Jahre für ihr Buch Fakten recherchiert, da kommt man ja jemandem sehr nahe, das Verständnis für einen Menschen wächst enorm. Wie konnten Sie die kritische Distanz behalten?

Ich betrachte ihn mittlerweile als jemanden, der mir vertraut ist mit allen guten und schlechten Seiten, und dessen Reaktionen man im Voraus kennt. Mein eigener Großvater – ich kenne ihn auch nur aus historischen Dokumenten – war etwa im Alter Foersters, hat sich im Alldeutschen Verband engagiert und 1942 auf eigenen Wunsch ein Hetzbuch gegen England geschrieben. Man versteht es vielleicht aus den Umständen heraus, gutheißen kann man es nicht, und bewundern schon gar nicht. Und immer stehen die Fragen im Raum: Was hätte man selber getan? Was muss man heute tun?

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9 Gemälde von Elisabeth Tapper: Der Garten von Karl Foerster in Bornim um 1920. Foto: Clemens Alexander Wimmer
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10 Foerster-Rittersporne auf der 3. Reichsgartenschau in Stuttgart 1939 auf dem Killesberg. Postkarte von 1939, Repro: C. A. Wimmer
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11 Foersters Freund und Hitler-Initimus Gottfried Feder, Verfasser des Programms der NSDAP. Feder nahm im November 1923 an Hitlers Putschversuch in München teil. Im Jahr 1924 veröffentlichte er ein Buch zur nationalsozialistischen Politik und wurde 1934 kurzzeitig Reichskommissar für das Siedlungswesen, später entmachtet. Aus Arthur R. Hermann: Gottfried Feder, Leipzig 1933.
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12 Widmung Karls Foersters für seinen nationalsozialistischen Freund Gottfried Feder. Original: Familie Feder, Murnau

Die vier Leben von KARL FOERSTER (1874-1970)

Erstes Leben

1874 Geburt am 9.3. als Carl August Foerster in Berlin, Eltern sind Ina und Prof. Dr. Wilhelm Foerster, Physiker, Direktor der Berliner Sternwarte. Seine Geschwister sind Friedrich Wilhelm (F. W.), (1869–1966), Hulda (1871–1958) Ernst (1876–1955) und Martha (1886–1972).

1889 1899 Abgang vom Gymnasium nach der 9. Klasse. Wechsel des Namens Carl zu Karl. Karl beginnt diverse Ausbildungen als Gärtner, die er alle wegen seines schlechten Gesundheitszustands immer wieder unterbrechen musste. Wegen einer Nervenkrankheit und psychischen Problemen muss Karl auch nicht zum Militärdienst. Er wird Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für ethische Kultur. Er liest den durch die Reformbewegung beeinflussten Dichter Maurice Maeterlinck.

1907 Die Firma K. Foerster Handelsgärtnerei und Schnittblumen-Kulturen wird ins Handelsregister eingetragen. Erste Auszeichnung von Foersters Pflanzen.

1908 Karls Mutter, Ina Foerster stirbt mit 59 Jahren.

1909 1918 Foerster sammelt alte Staudensorten in der Umgebung, gibt ihnen Namen und nimmt sie in sein Sortiment auf. Sein erstes Buch heißt Gartengestaltung der Neuzeit. Es erscheint 1911. Er erwirbt sein Grundstück in Bornim. Mitgliedschaft in der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst. Er rekurriert Auftraggeberinnen aus industriellen Großfamilien. Er entwickelt neoromantischen Schreibstil: "Auf löwenfellfarbigen Wiesen" stehen Enziane wie "kleine blaue Zaubergläser". Der Senkgarten ist fertig. Foerster reist viel. Täglich werden bis zu 200 Pflanzenpakete gepackt. Karls Vater sorgt für eine Bescheinigung für seine Kriegsuntauglichkeit. Vom Blütengarten der Zukunft erscheint und macht Foerster schlagartig bekannt.

Zweites Leben

1919 Foerster befreundet sich mit Heinrich Wiepking.

1920 Oskar Kühl und Karl Foerster gründen den Verlag Gartenschönheit GmbH und bringen Die Gartenschönheit erstmals heraus.

1921 Vater Wilhelm stirbt mit 89 Jahren.

1922 – 1928 Bruder F. W. positioniert sich gegen Nationalismus, ihm droht die Verhaftung, er geht nach Zürich. In Foersters Auffassungen sickern nationalistische Elemente ein, die vor allem Heinrich Wiepking in der Gartenschönheit vertritt. Bekanntschaft mit dem Hitler-Intimus Gottfried Feder, Autor des NSDAP-Parteiprogramms. Foerster vertritt ein traditionelles Frauen- und Familienbild, als er 51-jährig die 27 Jahre jüngere Sängerin Eva Hildebrandt kennenlernt, sie heiraten ein Jahr später. Bekanntschaft mit Gartenausstellungsgestalter und Mitarbeiter der Baumschule Späth, Gustav Allinger. Gründung der Karl Foerster & Co. Gartengestaltung GmbH. Einstellung von der Gartenarchitekten.

1929 Max Aaron ist neuer Geschäftsführer von Foersters finanziell angeschlagenen Firmen. Die Baumschule Joh. Bruns gibt ihm einen Kredit von 200.000 Mark, der mit Pflanzenbestellungen verrechnet wird.

1930 Willy Lange wird NSDAP-Mitglied. Foerster protegiert Gustav Allinger als neuen Stadtgartendirektor für Berlin, der den 20 Bezirksgartenämtern Kompetenzen streichen will.

1931 Tochter Marianne Ina Juliane Foerster wird geboren. Hildebrandt und Wolf Mattern treten in die KPD ein.

Drittes Leben

1933 Nach Hitlers Machtübernahme beantragt Ernst die Mitgliedschaft in der NSDAP, kommt aber in Schutzhaft, er soll Bruder F. W. nach Deutschland locken, damit er verhaftet werden kann. Friedrich Wilhelms Bücher werden am 10. Mai bei der Bücherverbrennung verbrannt. Mitarbeiter Walter Funcke kommt ins KZ Oranienburg.

Bruder F. W. wird ausgebürgert und enteignet. Darré wird Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft. Mitgliedschaft im Reichsverband Deutscher Schriftsteller.

Entlassung von Funcke am 19.8. aus dem KZ Oranienburg. Der Garten als Zauberschlüssel erscheint bei Rowohlt.

1934 Feder wird Reichskommissar für das Siedlungswesen, dem sich Foerster bei einem Vortrag andient. Wiepking wird ohne Abitur Professor für Gartengestaltung an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin. Beratend tätig für den Autobahnbau wird Architekt und Autor der Gartenschönheit Alwin Seifert. Wiepking, mit Seifert verfeindet, übernimmt die Planungen zu den Olympischen Spielen 1936 in Berlin. Foerster hofft auf Aufträge aus beiden Lagern.

Geschäftsführer der umbenannten Karl Foerster Gartenausführung GmbH wird NSDAP-Mitglied Kurt Eggestein. Mattern entwirft den Privatgarten von Albert Speer, ab 1942 Hitlers Rüstungsminister.

Schwester Hulda und ihr Sohn Wilhelm werden von der Gestapo verhaftet und zehn Tage gefoltert.

1936 Er beruft sich in seinen Texten über Schmuck- und Nutzgärten explizit auf Hitler.

Suche nach deutschen Pflanzennamen. Er spricht über einen ruhelosen "Ahasverus botanicus". Ahasverus gilt als Legendengestalt des 13. Jahrhunderts, die antisemitisch gelesen wird. Er schreibt von "demokratischen Gefahren" (…), "sie müssen durch das rechte Führertum (…) vermieden werden". Er schreibt auch für das Führerorgan der nationalsozialistischen Jugend "Wille und Macht".

1938 Nach den Pogromen an der jüdischen Bevölkerung emigrieren verschiedene Bekannte Foersters, Foerster meint: "die Juden hätten der Welt viel Unheil gebracht".

1939 Bruder Ernst wird rückwirkend zum 1.5.1937 NSDAP-Mitglied. Foerster wird in die Planung von Görings Residenz in der Schorfheide eingebunden, während Göring, als Stellvertreter Hitlers ab 1941 den Holocaust mit vorbereitet. Sehr gute Auftragslage für Foerster.

Die Potsdamer Freundschaftsinsel erhält nach Vorschlägen Foersters einen Sichtungsgarten.

Am 1.9. überfällt Hitlers Wehrmacht Polen. Polnische Führungskräfte, Geistliche und Juden werden systematisch ermordet oder vertrieben. Verantwortlich hierfür ist u. a. der Posener Reichsstatthalter Arthur Greiser, der später auch Auftraggeber für Foerster wird.

1940 Mattern und Foerster werden in die NSDAP aufgenommen. Wiepking wird von Himmler als Sonderbeauftragter für die besetzten Gebiete in Polen eingesetzt.

1941 Foerster arbeitet in der Schorfheide für Görings Residenz Carinhall. Seine Einnahmen für die Gärtnerei steigen auf 454.000 RM.

1944 Der Jahresumsatz beträgt 1,2 Millionen Reichsmark.

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13 Karl Foersters Auftraggeber, der Reichsstatthalter in Posen und Gauleiter der NSDAP Arthur Greiser. Er ist verantwortlich für den Tod von hunderttausenden Menschen im von Deutschland besetzten Polen. Er wurde als Kriegsverbrecher 1946 in Posen hingerichtet. Foto: Adressenwerk der NSDAP 1941
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14 Foersters Vetter Günther Paschen, wegen hitlerkritischen Äußerungen im Hause Foerster, die der Gestapo zugetragen wurden, 1943 hingerichtet. Foto: Repro C. A. Wimmer
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15 Karl Foerster mit dem DDR-Präsidenten Wilhem Pieck im Jahr 1955 anlässlich der Übergabe des Nationalpreis der DDR im Schloss Schönhausen. Foto: Aus: Eva Foerster, Gerhard Rostin (Hg.): Ein Garten der Erinnerung. Sieben Kapitel von und über Karl Foerster. Berlin 1982. Union Verlag.

Viertes Leben

1945 Wiepking, Mattern und Hammerbacher gehen nach Westdeutschland. Am 8. Mai ist der Krieg beendet. 70 Mitarbeiter sind noch da, 57 sind im Krieg gefallen. Am 6. Juni hat Foerster bereits eine Genehmigung zur Fortführung seiner Gärtnerei.

Die Gärtnerei wird zunächst Außenstelle des Moskauer Botanischen Garten und beschlagnahmt. Foerster wird verhaftet und bleibt für 8 Tage im Gefängnis. Die Mitglieder-Kartei der NSDAP befindet sich in München und kann in Potsdam nicht abgeglichen werden.

Foerster gibt sein Einkommen für 1943 auf 60.000 RM an. Er erklärt die Philosophen Hegel, Fichte und Nietzsche zu Wegbereitern des Nationalsozialismus.

1947 Der Kontakt zwischen den Brüdern Friedrich Wilhelm und Karl brach 1937 ab und wird jetzt wieder aufgenommen. Der Staudenbetrieb arbeitet wieder. Hammerbacher erhält einen Lehrauftrag an der TU-Berlin, ab 1950 eine Professur.

1948 Wiepking erklärt, er sei nie Sonderbeauftragter Himmlers gewesen. Foerster wird entlastet, der Betrieb zurückgegeben.

1949 Zum 75. Geburtstag kommen 560 Glückwünsche. Ein enteignetes Grundstück wird F. W. nicht zurückgegeben. Mattern wird Professor an der Staatlichen Werkakademie in Kassel. Gründung von BRD und DDR.

1950 Franz Schleuser, CDU-Mitglied und Freund Foersters, fordert freie Wahlen, wird verhaftet und stirbt in seiner Zelle in Potsdam. Foerster besucht Präsident Wilhelm Pieck und Ministerpräsident Otto Grotewohl, und liefert anschließend für ihre Privatgärten die Stauden.

Am 16. Juni Erhalt der Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität. Foersters Buch Vom großen Welt- und Gartenspiel erscheint. Bruder F. W. bezeichnet es als "himmlische Jauche für die deutsche Landwirtschaft".

1951 Nachfolgezeitschrift der Gartenschönheit, die Pflanze und Garten erscheint. Fünf neue Bücher werden geplant. Briefverkehr mit dem Westen wird von der Stasi überwacht. Neueinrichtung des Schau- und Sichtungsgartens auf der Freundschaftsinsel.

1954 Eva Foerster verbringt völlig erschöpft einige Wochen im Krankenhaus. Foerster muss 60 Prozent Steuern zahlen. Das Steingartenbuch erscheint und ist sofort ausverkauft.

1955 Am 13. Mai stirbt Ernst Foerster. Foerster erhält den Nationalpreis III. Klasse. Damit wird das Reisen für Foerster über die innerdeutsche Grenze leichter.

1956 Wilhelm Pieck besucht Foerster in Bornim.

1957 Foerster wird zum Ehrenbürger der Stadt Köln ernannt.

1958 Am 18.12. stirbt Foersters Schwester Hulda.

1959 Foerster verzichtet auf Druck der DDR-Regierung auf den Großen Buchpreis der in der BRD ansässigen DGG. Im Gegenzug erhält Foerster in der DDR den Vaterländischen Verdienstorden in Silber. Zum 85. Geburtstag erhält Foerster die Johannes-R.-Becher-Medaille des Kulturbundes. Am 10.09. wird der Vertrag zur Umwandlung des Betriebs in Kommannditgesellschaft mit staatlicher Beteiligung gegründet.

1960 Bisher hat Foerster 24 Bücher veröffentlicht und 230 Neuzüchtungen vorzuweisen. Der Staat bringt in den nächsten 10 Jahren 70.000 Mark in den Betrieb ein. Foerster wird von Grotewohl eine Schuld bei der Potsdamer Creditbank von 50.000 RM erlassen. Schuldner sind die Deutschen Werke Kiel. Es handelt sich um Leistungen für die Außenanlagen der SA-Schule in Schulitz von 1945.

1961 Foerster besucht die "Erste Internationale Gartenbauausstellung der sozialistischen Länder" in Erfurt und die Bundesgartenschau in Stuttgart am Killesberg. Die Gartenausführungsgesellschaft wird aufgelöst.

1963 Karl und F. W. treffen sich nach 25 Jahren das erste Mal wieder, doch er erkennt ihn nicht mehr. Zur Volkskammerwahl am 20. Oktober unterzeichnet Foerster einen Aufruf regimetreuer Christen.

1964 Bei den in der DDR zugelassenen Sorten ist Foerster bei einigen Sorten zwischen 68 und 100 % vertreten. Zum 90. Geburtstag erreichen ihn um die 1200 Glückwunschschreiben, darunter von Ministerpräsident Willi Stoph und Präsident Walter Ulbricht. Ernennung zum Professor durch die Humboldt-Universität.

1966 F. W. stirbt in Kilchberg in der Nähe von Zürich.

1968 Der Umsatz steigt auf 660.000 Mark.

Prof. Egon Seidel schreibt, Foerster sei von Albert Einstein und Käthe Kollwitz beeinflusst, habe Juden versteckt und eine Rote Zelle in seinem Betrieb toleriert.

1970 Mattern erklärt gegenüber Bengt von Berloewen, Foersters Gärtnerei "war ja absolut nazi".

Karl Foerster stirbt am 27. November 1970 mit 96 Jahren.

M. A. Mechthild Klett
Autorin

Stadt+Grün, Redaktionsleiterin

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