Ralf Dorn

Der Architekt und Stadtplaner Rudolf Hillebrecht

Bücher Architektur

1959 zierte Rudolf Hillebrecht das Titelblatt des Spiegel (Nr. 23), in dem ein 13-seitiger Artikel "das Wunder von Hannover" lobte. Dieses "Wunder" war der "Wiederaufbau" oder besser, wie Hillebrecht, der dafür verantwortliche Stadtbaurat, es nannte, der "Neu-Bau" der Stadt nach den Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg. Dabei folgte der Architekt und Stadtplaner dem Leitbild von einer gemäßigten Auflockerung, die Licht, Luft und Sonne sowie das Wohnen im Grünen versprach und zudem großzügig angelegte Verkehrswege für den erwarteten zunehmenden Autoverkehr bot. Dass dafür nicht nur zerstörte Quartiere abgeräumt wurden, sondern im Laufe der Zeit auch historische Bauten, die den Krieg unbeschadet (oder gering beschädigt) überstanden hatten, seinen Zielen geopfert wurden, bestimmt die heutige Diskussion im Rückblick auf diese Zeit.

Ralf Dorn zeichnet den Werdegang des Architekten und Stadtplaners Hillebrecht nach: seine Studienzeit in den Zwanzigerjahren, die verantwortliche Mitarbeit im Büro des Hamburger Architekten Konstanty Gutschow in der Zeit des Nationalsozialismus und das Wirken in der Bundesrepublik Deutschland. Doch der Blick des Autors geht dabei weit über die Person Hillebrechts hinaus, in dem er diesen als Handelnden in politische und Verwaltungszusammenhänge einordnet. Das Mittun Hillebrechts (nach anfänglichen Bedenken) im Rahmen prominenter nationalsozialistischer Bauaufgaben und seine Mitarbeit im Speer'schen Arbeitsstab zum Wiederaufbau werden zwar thematisiert, der Schwerpunkt liegt jedoch auf der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Bereits 1946 greifen die Alliierten auf die Erfahrungen des Baufachmanns zurück. Als Stadtbaurat von Hannover (1948 bis 1975) gelingt es Hillebrecht fachlich souverän, Politik und Bevölkerung für seine Vision von einer umfassenden Stadtplanung zu gewinnen. Die Entwicklung von einer ersten Reparatur von Kriegsschäden über integrierte Konzepte in Anlehnung an die Idee von einer durchgrünten und gleichermaßen verkehrsgerechten Stadt bis hin zu Projekten, die dem Leitbild "Urbanität durch Dichte" geschuldet sind, zeigt, wie sich die Stadtplanung in der mehr als 25 Jahre währenden Amtszeit wandelt. Hier steht Hannover stellvertretend für eine Vielzahl bundesrepublikanischer Städte. Ortsspezifisch - doch nicht weniger interessant - ist die Realisierung von Bauprojekten. Offensichtlich sind die Netzwerke des Stadtbaurats (früher auch als Seilschaften bezeichnet), deren Mitglieder die Städte vielfach durch ihre "Handschrift" geprägt haben. Der Mitarbeit Hillebrechts in Politik, Fachverbänden und Gremien (wie zum Beispiel dem Deutschen Städtetag), seiner Tätigkeit als viel gefragter Berater für andere Städte und als Preisrichter in Wettbewerbsjurys wird ein eigenes Kapitel gewidmet, ebenso wie seinen internationalen Kontakten im Rahmen seiner zahlreichen Reisen.

Auf der Grundlage eines breit angelegten Quellenstudiums, insbesondere der erstmaligen, umfassenden Auswertung des Hillebrecht-Nachlasses (im Stadtarchiv Hannover) zeichnet Dorn ein umfassendes, wissenschaftlich fundiertes Bild des Architekten und Stadtplaners Hillebrecht nach, beschreibt die fachlichen und politischen Vorgänge und gibt darüber hinaus auch Einblicke in persönliche Motivationen und Positionen. Damit reiht sich die Publikation in die jüngst erschienen Forschungsergebnisse zu Persönlichkeiten ein, die - sich selbst ausschließlich als Fachleute sehend - durch ihre Arbeit die Ziele der NS-Politik unterstützt oder sogar befördert haben und aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation und Erfahrung ihre Karriere im republikanischen Nachkriegsdeutschland ohne Zäsur fortsetzen konnten.

Darüber hinaus wird das Wissen um Planungsvorgänge, Motive und Leitbilder einer Zeit erweitert und vertieft, deren Stadtplanung und Bebauung langsam wieder ins Bewusstsein von Fachwelt und Öffentlichkeit gelangen - häufig allerdings immer noch mit einem Negativimage versehen. Daher sei das Buch nicht nur historisch Interessierten, sondern vor allem denen empfohlen, die sich mit der aktuellen Stadtentwicklung (Diskussion um Nachverdichtung und Klimawandel) beschäftigen. Die ansprechende Aufmachung des Buches trägt dazu bei, dass das Lesen (trotz des Gewichts) nicht zur Last wird, sondern Freude bereitet.

Dr. Ursula Kellner

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