Sie schützen, dämmen, kühlen und verbessern das Kleinklima

Dach- und Fassadenbegrünungen

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Öffentlich zugängiges begrüntes Dach im Zentrum von Pforzheim. Klimatisierung des Gebäudeinneren, Nutzung der Natur auf dem Dach. Foto: Optigrün

In Deutschland fallen täglich über 100 Hektar Natur dem Verkehrs- und Wohnungsbau zum Opfer, etwa 12 Prozent der Oberfläche Deutschlands sind bebaut und davon etwa 50 Prozent versiegelt. Städte sind zu Hitzeinseln geworden ("Urban Heat Islands"), die sich aufgrund des Klimawandels immer weiter erwärmen werden, wenn nicht geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Unter anderem wird die Zahl der Sommertage (Tage mit mehr als 25 Grad C) zunehmen - Experten gehen derzeit von 4,6 Tagen pro Jahrzehnt aus ("Die Welt" 2012). Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten, in Deutschland sind es sogar drei Viertel der Bevölkerung.

Dach- und Fassadenbegrünungen mit Kühlleistung und Klimaverbesserung

Hitzeinsel Stadt - die urbanen Hitzeeffekte werden durch die Sonne, dunkle Gebäude und Straßen, versiegelte Oberflächen und das schnell abfließende Regenwasser verursacht. Ohne Pflanzen fehlt die Evapotranspiration und damit die Verdunstungskühlung. Die Temperatur in Städten ist ein bis drei Grad höher als im Umland. Schon heute gibt es wegen der großen Hitze eine erhöhte Sterberate. So starben bei der Hitzewelle 2003 in Europa etwa 52.000 Menschen, davon 15.000 im benachbarten Frankreich. Die US-amerikanische Environmental Protection Agency (EPA) hat Ende 2008 eine Handlungsanweisung ("Reducing Urban Heat Islands") veröffentlicht, um Planer bei der Städteplanung zu unterstützen. Dabei werden unter anderem zwischen "cool roofs" (Dächer mit reflektierender weißer Fläche) und "green roofs" unterschieden (Bader 2010).

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So wie das Beispiel in Freiburg zeigt, müsste es in allen Ballungszentrum aussehen: angenehmes Leben im Grünen. Foto: Optigrün

Ein begrüntes Dach hält je nach Begrünungsart und Schichtaufbau etwa 40 bis 99 Prozent des jährlichen Niederschlags zurück. Ein großer Teil davon wird verdunstet und verbessert dabei unsere Lebensbedingungen durch Luftbefeuchtung und Kühlung. So wurde mit einem Computer-Simulationsprogramm ermittelt, dass eine großflächige extensive Dachbegrünung von fünf Hektar etwa 22.000 Kubikmeter Niederschlagswasser pro Jahr zurückhalten kann. Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz von Nordrhein-Westfalen (Ministerium 2011) baut in seinem Leitfaden auf Dach- und Fassadenbegrünung. Diese speichern Regenwasser und verdunsten wieder, was zu einer Abkühlung von ein bis drei Grad möglicht macht. Bei größeren zusammenliegenden Dach- und Fassadenbegrünungen (addiert ab etwa einem Hektar) sind positive Auswirkungen auf das Mikroklima möglich. In Düsseldorf sind etwa 730.000 Quadratmeter Dach begrünt, das sind etwa drei Prozent der gesamten Dachflächen.

Gründächer tragen dazu bei, dass der Klimawandel nicht als "extreme Wärmebelastung", sondern nur als "starke Wärmebelastung" wahrgenommen wird. Damit können hitzebedingte Todesfälle vermieden werden. So wird in der aktuellen Studie des Umweltbundesamt (2012) (Kosten-Nutzen-Analysen für konkrete Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel) Dachbegrünungen als besonders erfolgversprechend gegen die sommerliche Hitze in den Städten und rentabel hervorgehoben. Das Begrünen von Dächern reduziert an heißen Sommertagen die Temperatur in Städten und hat darüber hinaus viele weitere Vorteile. Im Gegensatz zu Gründächern weisen aufwändigere Infrastrukturmaßnahmen wie Dämme gegen Überflutung oder Ausbau der Kanalisation ein schlechteres Kosten-Nutzen-Verhältnis auf.

Schon Kolb & Schwarz (1986) haben Ende der 1980er Jahre erforscht, dass eine höherwertige Extensivbegrünung die Temperaturextreme an heißen Sommertagen erheblich mindert. Bei der unbegrünten Vergleichsfläche gab es Maximaltemperaturen von etwa 50 Grad Celsius und 36 bis 67 Prozent höhere Temperaturen als die Lufttemperatur über den Pflanzen, bei der begrünten Variante lag die Temperatur auf der Bodenoberfläche zwei bis sieben Grad Celsius unter der Lufttemperatur über den Pflanzen. Der durchschnittliche Kühleffekt lag bei etwa 25 Grad Celsius.

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Dachbegrünungen kühlen das Gebäude und deren Umgebung durch die Verdunstung der Vegetation. Foto: Optigrün

Auf diese und Untersuchungen neueren Datums baut die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (2010) in ihrer Broschüre "Konzepte der Regenwasserbewirtschaftung. Gebäudebegrünung, Gebäudekühlung. Leitfaden für Planung, Bau, Betrieb und Wartung". Hier wird nochmals verdeutlicht, dass bei der Verdunstung von einem Kubikmeter Wasser eine Verdunstungskälte von 680 Kilowatt pro Stunde erzeugt wird, das entspricht bei 1 Liter 0,68 Kilowatt pro Stunde. Im Vergleich der Strahlungsbilanz begrüntes und unbegrüntes Dach zeigt sich die Bilanz eines Gründachs als Beispiel für die positive Beeinflussung des Stadtklimas durch die Verdunstung von Regenwasser. Der Anteil der sensiblen Wärme kann um rund 70 Prozent reduziert werden. Bei einer Temperaturmessung im Juni 2001 wurde ermittelt, dass ein unbegrüntes Dach hat eine Temperaturamplitude von 50 Kelvin gegenüber 20 Kelvin des Gründaches und 10 Kelvin an der Dachabdichtung unter der Begrünung hat. Der Effekt der Gebäudekühlung beruht einerseits auf der Verschattung der Gebäudeoberfläche durch Substrat- oder Pflanzenteile und andererseits auf der Verdunstungsleistung des im Substrat gespeicherten und vor allem über die Pflanzen verdunsteten Wassermengen. Vergleicht man ein unbegrüntes Bitumendach mit einem extensiven Gründach, dann hat dieser Effekt die Größenordnung in einem Verhältnis von 1:10 (Köhler & Schmidt 2002, 2008). Die jährliche Verdunstungsleistung extensiver Gründächer beruht auf dem Rückhalt von 60 bis 80 Prozent des Jahresniederschlags, der mit einem Energieverbrauch pro Quadratmeter mit 2670 Kilojoul verdunstet wird. Der Effekt der Verdunstungskälte kann durch Bewässerung des Daches noch verbessert werden. Als Faustwert können etwa drei bis fünf Millimeter pro Quadratmeter am Tag verdunstet werden. Das heißt, dass bei nur drei Millimeter Verdunstungsleistung 300 Liter Wasser auf 100 Quadratmeter Dach- oder Fassadenfläche verdunstet. Das entspricht einer Energie von 200 Kilowatt pro Stunde/Tag. Würde man diese Kälte mittels typischer Air-Conditioning-Anlagen erzeugen würde das bei heutigem durchschnittlichen Strompreis etwa 20,00 Euro/Tag sein.

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Optigrün-Systemlösung Retentions-dach Mäander 30: Abflussverzögerung durch den schlangenlinienförmigen Abfluss des Überschusswassers in der Mäanderplatte. Wasserrückhalt bedeutet Kühlung. Foto: Optigrün
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Der Optigrün-Fassadengarten mit schöner Optik und hoher Verdunstungs- und damit Kühlleistung. Foto: Optigrün

Schon seit vielen Jahren agiert der Apfelweinproduzent Possmann in Frankfurt am Main mit dieser Verdunstungskühlung, mit der er durch seine kühlende 3000 Quadratmeter große Dachbegrünung vier Kühltürme mit einem Wasser- und Energieverbrauch von jeweils 20.000 Euro einspart. Köhler (2012) führt weitere Beispiele in seinem "Handbuch Bauwerksbegrünung" auf, so beispielsweise die Verdunstung und Verschattung von Fassadenbegrünungen am Beispiel des Consorcio in Santiago de Chile. Dort wurden am Gebäude des Architekten Enrice Browne über Jahre Messungen gemacht, mit dem Ergebnis des sommerlichen Kühleffektes von etwa 35 Prozent Einsparung gegenüber konventionellen Kühlkosten. Alcazar & Bass (2005) haben für ein spanisches Wohnhaus ermittelt, dass die Dachbegrünung etwa 20 Prozent sommerliche Energieeinsparung erbringt. Die Stadt Toronto bietet etwa 50 Millionen Quadratmeter Dachflächen. Würden nur alle Dachflächen größer als 350 Quadratmeter begrünt, wären das etwa 75 Prozent der gesamten Dachflächen. Damit würden die Maximaltemperaturen zwischen 0,5 und 2,0 Grad Celsius gesenkt werden, was wiederum Kosteneinsparungen für Klimaanlagen von etwa 12 Millionen Can$ bringen würde (Banting D., Doshi, H., Li, J., Missios, P. 2005).

Das österreichische Forschungsprojekt "GrünStadtKlima" untersucht verschiedene Dach- und Fassadenbegrünungssysteme. Erste Ergebnisse verdeutlichen auch die mikroklimatischen Wirkungen und bauphysikalischen Eigenschaften der untersuchten Begrünungssysteme. Vor allem die intensiven Fassadenbegrünungssysteme mit Staudenpflanzungen und automatischer Bewässerung wirken vor allem in Hitzeperioden signifikant. Die in 40 Zentimeter Abstand zu den Systemen gemessene Luftfeuchtigkeit übersteigt jene der umgebenden Luftmassen. Alle wandgebundenen Systeme verbessern das Mikroklima im Vergleich zur Putzfassade. Dies wird anhand der Auswertungen der Wandtemperaturen und Albedo ersichtlich. Trotz einer wesentlich höheren Albedo der Putzfassade erreicht diese eine bis zu über 20 Grad Celsius höhere Oberflächentemperatur im Vergleich zu den wandgebundenen Systemen. Damit tragen sie verstärkt zur Aufheizung des urbanen Raumes bei (Scharf 2012).

So liegt beispielsweise die Luftfeuchtigkeit des Optigrün-Fassadengartens um bis zu 20 Prozent höher als im Luftraum über der unbegrünten Putzfassade. Daraus folgt eine Verdunstungskühlung und positiver Einfluss auf das Mikroklima. Köhler (2012) führt in seinem Buch aus, dass durch die Fassadenbegrünung sowohl eine Aufheizung des Mauerwerks als auch eine spätere Rückstrahlung verhindert werden. Entscheidend dabei ist neben der Pflanzenauswahl das Luftpolster zwischen Wand und Vegetationsdecke.

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SolarGrünDach. Leistungssteigerung der Photovoltaikanlage durch die Kühlleistung der Dachbegrünung. Foto: Optigrün
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Natürlicher Wasserkreislauf auf dem Gründach als natürliche Klimaanlage. Foto: Optigrün

Der sommerliche Kühlungseffekt im mediterranen Klima beträgt etwa 20 Prozent, durch die erhöhte Dämmleistung können rund fünf Prozent Energieeinsparungen verzeichnet werden.

Doch begrünte Dächer wirken auch wie eine Wärmedämmung. Die Begrünung mit ihren Substrat- und Vegetationsschichten dämmen nach Dauermessungen eines typisch gedämmten Neubaus aus dem Jahr 2000 etwa drei bis zehn Prozent besser im Vergleich zu einer Kiesschüttung. Als Faustwert entspricht ein etwa zehn Zentimeter hoher Gründachaufbau etwa einem Zentimeter eines klassischen Dämmstoff (zum Beispiel Styrodur). Im Verhältnis eines Einfamilienhauses unter nordostdeutschen Winterbedingungen wäre das umgerechnet die Ersparnis von etwa 100 Kubikmeter Heizgas oder die Minimierung des vergleichbaren Kohlendioxid-Ausstoßes von 275 Kilogramm pro Winter (Köhler & Malorny 2009, Köhler & Schmidt 2008).

Minke (2010) führte am Zentrum für Umweltbewusstes Bauen der Universität Kassel Untersuchungen an verschiedenen extensiven Dachbegrünungen durch. Dabei zeigte sich eine besonders wirkungsvolle Dämpfung der Temperaturschwankungen im Winter: obwohl Außenlufttemperatur und die Temperatur des unbegrünten Referenzdaches um 15 bis 18 Grad Celsius schwankten, war bei der begrünten Variante (15 Zentimeter Gründachaufbau) keine Schwanke zu messen. Selbst die nur acht Zentimeter hohe Begrünungsvariante hatte nur eine Temperaturschwankung von drei Grad Celsius.

Zusammenfassung

Klimawandel, Versiegelung und zunehmende Verstädterung führen zu überhitzten Großstädten. Die Folge sind unter anderem Hitzeinseln, häufigere Sommertage und Hochwasserkatastrophen. Der überlegte Umgang mit dem Niederschlagswasser und die Renaturierung der Städte sind mit die wichtigsten Maßnahmen, die es kurzfristig zu ergreifen gilt. Dach- und Fassadenbegrünungen spielen hierbei eine große Rolle bei relativ geringem Aufwand. Sie bilden den Kompromiss, den Städteplaner suchen: Gründächer lassen Wohn- und Siedlungsbau zu und bieten durch ihre Pflanzen natürliche Klimaanlagen und Luftverbesserer und bei intensiven Begrünungsarten auch noch die Möglichkeit weiterer nutzbarer Wohnflächen.

Literatur

Alcazar, S., B. Bras (2005): Energy performance of Green roofs in a multi Storey residential Building in Madrid. Proc. 3. Conference Greening Roof tops, Washington.

Bader, R. (07.05.2010): Zukunft der Stadt - Gegen die Hitze der Stadt, www.spektrum.de/news/gegen-die-hitze-der-stadt.

Banting D., H. Doshi, J. Li, P. Missios (2005): Report on the Environmental Benefits and Costs of Green Roof Technology for the City of Toronto.

Berlin Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (2010). Konzepte der Regenwasserbewirtschaftung. Gebäudebegrünung, Gebäudekühlung. Leitfaden für Planung, Bau, Betrieb und Wartung. www.stadtentwicklung.berlin.de.

Die Welt, 12.10.2012, Den Großstädten droht künftig der Hitzekollaps.

Köhler M., W. Malorny (2009): Wärmeschutz durch extensive Gründächer. In: Venzmer H (Europäischer Sanierungskalender 2009) Beuth(Berlin), 195-212. 978-3-410-16871-3.

Köhler M., M. Schmidt (2008): Energetic aspects of green roofs. World Green Roof Technology. Proc. World Green Roof Congress. London September 16.-19th.

Köhler M., Schmidt, M. (2002): Das Mikroklima extensiver Gründächer. In: Jb. Dachbegrünung 2002: 28-33. Thalacker, Braunschweig, ISBN 3-87815-179-9.

Köhler, M. (2012): Handbuch Bauwerksbegrünung. - Rudolf Müller Verlag, Köln.

Kolb, W., T. Schwarz , W. Klein (1986): Zum Klimatisierungseffekt von Pflanzenbeständen auf Dächern. - Zeitschrift für Vegetationstechnik 9.

Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (2011): Handbuch Stadtklima. Maßnahmen und Handlungskonzepte für Städte und Ballungsräume zur Anpassung an den Klimawandel.

Minke, G. (2010): Wärmedämmverhalten von Gründächern.- zeno, Ausgabe 2.

Scharf, B. (2012): GrünStadtKlima. Untersuchungen der Wasser-, Energie- und Mikrobilanz grüner Bauweisen. - Tagungsband 5. FBB-Fassadenbegrünungssymposium 2012, Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e. V. (FBB); Hrsg.

UBA Umweltbundesamtes (2012): Studie "Kosten-Nutzen-Analysen von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel"; www.uba.de/uba-info-medien/4298.html.

Dr. Gunter Mann
Autor

Präsident des Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG)

Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG)

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