Bestäuber auf gebietseigenen und nicht-heimischen Ansaatmischungen
Biodiversität im Stadtgrün
von: Dr. Leoni Mack, Dipl.-Biologin Angelika Eppel-Hotz, Dr. Elena Krimmer, Dipl.-Biol. Kornelia Marzini
Diese Verschiebung kann in Stadtgebieten und ihrem direkten Umland noch deutlicher ausgeprägt sein als in ländlichen Gebieten, da sich Erstere durch die hohe Bebauung und Versieglung stärker erwärmen. In der Folge beginnt und endet die Blütezeit von Wildpflanzen in städtischen Gebieten früher und im Spätsommer und Herbst entsteht eine Trachtlücke.
Neben der Erwärmung ist ein dramatischer Rückgang in der faunistischen Artenvielfalt zu beobachten (IPBES. 2019). Durch massive Veränderungen der Landschaft sind große Teile der natürlichen Habitate verloren gegangen und die noch vorhandenen Lebensräume sind so stark fragmentiert, dass eine natürliche Ausbreitung kaum möglich ist (Potts et al., 2010). Städtische Grünflächen sind zu wichtigen Rückzugsorten geworden und Untersuchungen haben gezeigt, dass Städte eine hohe Artenvielfalt aufweisen (Sirohi et al., 2015). Jedoch müssen die städtischen Grünflächen oft der zunehmenden Verdichtung und Versiegelung weichen, sodass Bestäuber immer weniger Nahrungs- und Nistressourcen finden. Die Nahrungsknappheit wird durch die Verschiebung der Blütezeiten noch verstärkt, da Bestäuber, die spät im Jahr aktiv sind, keine Nahrung mehr finden können. In der Folge sind heutzutage etwa die Hälfte aller heimischen Wildbienen- und Schwebfliegenarten gefährdet (Westrich, 2018).
Wildbienen und Schwebfliegen sind jedoch wichtige Bestäuber und bilden die Basis der terrestrischen Nahrungskette. Ihr Leben steht in enger Symbiose mit (Wild)Pflanzen, denn sie benötigen Nektar und Pollen als Nahrung und sichern im Gegenzug den Fortbestand der Pflanzen, indem sie diese beim Blütenbesuch bestäuben. Aufgrund ihrer Vielfalt an Lebensweisen bestäuben Wildbienen und Schwebfliegen einen Großteil der Blühpflanzen, was sie unentbehrlich für unser Ökosystem macht. Somit sichern sie nicht nur den Fortbestand vieler Wildpflanzen, sondern auch einen großen Teil der menschlichen Nahrungsquellen.
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Erhöhung der urbanen Biodiversität durch artenreiches Straßenbegleitgrün
Wir benötigen dringend neue Strategien, die die Anpassung an den Klimawandel und die Förderung der Artenvielfalt in den Städten kombiniert angehen. Eine Möglichkeit ist städtisches Grün mit hohem Arten- und Strukturreichtum. Zum einen können Wildpflanzenmischungen für eine Kühlung der Umgebung sorgen, zusätzlich können sie durch ein breites und ausdauerndes Angebot an Nist- und Nahrungsressourcen auch dringend benötigte Lebensräume für Bestäuber darstellen (Hennig und Ghazoul, 2012).
Eine schnelle und im großen Maßstab umsetzbare Maßnahme ist die Ansaat von Wildblumenmischungen. Die Verwendung von gebietseigenem Saatgut ist in der freien Natur seit 2020 verpflichtend (Erhaltungsmischungsverordnung, Bundesnaturschutzgesetz § 40) und wird auch im städtischen Bereich oft empfohlen. Gebietseigenes Saatgut bringt genetische Anpassungen an regionale Standortfaktoren mit sich und kann so besser an die klimatischen Bedingungen einer Region innerhalb Deutschlands angepasst sein als gebietsfremdes Saatgut derselben Art. Jedoch geschehen die derzeitigen klimatischen Veränderungen durch die globale Erwärmung und den Wärmeinseleffekt so rasant, dass mögliche genetische Anpassungen der Pflanzen sich nicht schnell genug etablieren können.
Dies trifft vor allem Teile der grünen Infrastruktur, die sich an besonders warmen Orten befinden, wie beispielsweise das Straßenbegleitgrün. Die Pflanzen müssen mit der abgestrahlten Wärme des sich stark erhitzenden Asphalts klarkommen. Gleichzeitig müssen die Mischungen noch andere besondere Ansprüche erfüllen: Sie müssen niedrigwüchsig und optisch ansprechend sein, um Sichtachsen im Verkehr nicht zu behindern und gleichzeitig gut von der Bevölkerung angenommen zu werden. Außerdem müssen die Mischungen pflegeleicht sein, um die Kosten für die Kommunen gering zu halten. Die einzelnen Arten müssen mit den Standortbedingungen an den Straßen zurechtkommen, also robust gegen häufige Störungen und hohe Nährstoffe sein.


Biodiversität im Stadtgrün: Vergleiche gebietseigener und nicht-heimischer Mischungen
Für die Förderung der Biodiversität durch Straßenbegleitgrün müssen also robuste Pflanzengemeinschaften entwickelt werden, die ein ganzjährliches Nahrungsangebot schaffen. Um die Versorgungslücke für Bestäuber, die durch das frühzeitige Abblühen der heimischen Wildpflanzen entsteht, zu füllen, können gezielt nicht-heimische Wildpflanzen eingesetzt werden, die einen späteren Blühzeitpunkt und eine höhere Trockenheitstoleranz haben. Wir haben in unserem Projekt "Biodiversität im Stadtgrün" untersucht, wie sich rein gebietseigene und rein nicht-heimische Blühmischungen in Hinsicht auf das Blütenangebot und die blütenbesuchenden Wildbienen und Schwebfliegen im Vergleich zu Rasen unterscheiden. Außerdem wurde die Wechselwirkung zu Stadtbäumen untersucht, von denen auf jeder Versuchsfläche je ein Exemplar gepflanzt war.
Die gebietseigene Mischung enthielt 35 Wildpflanzen (Ursprungsgebiet 11, Südwestdeutsches Bergland), davon fünf einjährige, eine zweijährige und 29 mehrjährige Arten. Hierzu gehörten beispielsweise die Wiesen-Glockenblume, die Gemeine Schafgarbe und die Kartäuser-Nelke. Für einen besseren optischen Aspekt wurden dabei der Regio-Mischung drei zusätzliche einjährige Arten zugemischt (s. Abb. 4a). Die nicht-heimische Mischung enthielt 57 Arten, die hauptsächlich aus Eurasien und Nordamerika stammen. Sie setzte sich aus 19 einjährigen, drei zweijährigen und 35 mehrjährigen Arten zusammen und enthielt beispielsweise den Kalifornischen Mohn, die Kokardenblume und den Muskateller-Salbei. Ursprünglich sollten beide Mischungen ähnlich hohe Artenzahlen aufweisen. Die ursprünglich geplante artenreiche Mischung aus heimischen niedrigwüchsigen Arten, die sich für nährstoffreiche und trocken-heiße Standorte eignen, war für uns jedoch bei hiesigen Saatguthändlern nicht erhältlich.
Die Mischungen wurden im Frühjahr 2021 auf drei in Breite und Länge unterschiedlich zugeschnittene Versuchsflächen angesät, die in jeweils drei Teilflächen (gebietseigene Mischung, Rasenfläche, nicht-heimische Mischung) aufgeteilt waren. Zusätzlich befand sich auf jeder Teilfläche eine Silber-Linde. Die Versuchsflächen befanden sich im Stadtgebiet von Würzburg, das zu den trockensten und heißesten Regionen Deutschlands zählt. Im ersten Jahr wurden die Flächen bei Bedarf noch bewässert, ab 2022 jedoch nicht mehr.


Blütenentwicklung in den verschiedenen Mischungen
Bei den gebietseigenen Wildpflanzen war eine deutliche Verschiebung des Blühzeitpunktes zu beobachten. Bei der Hälfte der Arten hat die Blütenentwicklung früher eingesetzt und/oder sie sind früher abgeblüht als in der Literatur angegeben. Diese Verschiebung war bei den nicht-heimischen Arten nicht zu erkennen, hier haben die Blühperioden länger angehalten als angegeben.
Im Laufe der Versuchsjahre haben sich beide Mischungen in der Artenzusammensetzung verändert, da erst die kurzlebigen und später die mehrjährigen Arten das Blütenbild dominierten (Abb. 4 und 5). Generell hat die nicht-heimische Mischung ein höheres und vielfältigeres Blütenangebot gezeigt als die gebietseigene Mischung. Auch der saisonale Blühverlauf hat große Unterschiede gezeigt, denn die gebietseigene Mischung hat die Hauptblüte im Frühjahr gezeigt, die nicht-heimische im Spätsommer. Während die Blühintensität der gebietseigenen Mischung nach der Hauptblüte schnell abnahm, blühten bei der nicht-heimischen Mischung immer einige Arten bis in den Spätherbst. Auf den Rasenflächen war die Blütenentwicklung generell geringer und hat durch das Einwandern von Kräutern und häufiges Mähen starke Schwankungen gezeigt.
Zudem hat sich die nicht-heimische Mischung unter trockenen Bedingungen deutlich besser etabliert: Im zweiten Jahr gab es von Mai bis September keinen Niederschlag und mit anhaltender Trockenheit nahm die Blütenintensität der gebietseigenen Mischung stark ab, sodass Ende August keine Pflanze mehr blühte. Bei der nicht-heimischen Mischung nahm die Blütenintensität nur gering ab und es blühten immer einige Pflanzen. Aus der gebietseigenen Mischung hat nur eine Wildpflanze, Centaurea jacea ssp. angustifolia, im Sommer 2022 geblüht und somit eine hohe Trockenheitsverträglichkeit gezeigt. Lotus corniculatus und Dianthus carthusianorum haben immer wieder einzelne Blüten entwickelt. Aus der nicht-heimischen Mischung haben mehrere Arten trotz Trockenheit durchgeblüht: Antirrhinum braun-blanquetii, Hyssopus officinalis, Aster ericoides, Gaura lindheimeri und Verbena stricta.
Beobachtungen von Bestäubern bei Blütenbesuchen
Die nicht-heimische Mischung hat insgesamt mehr Wildbienen angezogen als die gebietseigene Mischung, wobei ein saisonaler Unterschied zu erkennen war. Insgesamt wurden 72 verschiedene Arten bestimmt, 45 davon auf der gebietseigenen und 48 auf der nicht-heimischen Mischung. Auch bei den Sichtungen von gefährdeten (18 Arten) und oligolektischen (zwölf Arten) Wildbienen wurden auf den Flächen mit der nicht-heimischen Mischung die meisten Arten gefangen, dann bei der gebietseigenen Mischung und am wenigsten Arten auf den Rasenflächen. Bei den Zählungen der Individuen hat sich gezeigt, dass die Wildbienen die gebietseigene Mischung vor allem im Frühjahr besuchen, ab dem Sommer bevorzugen sie dann die nicht-heimische Mischung. Demnach folgten die Wildbienen in etwa der Blütenintensität der beiden Mischungen.
Bei den Schwebfliegen wurden auch auf den Rasenflächen die wenigsten Arten und Individuen gezählt, zwischen den beiden Blühmischungen zeigte sich kein deutlicher Unterschied. Insgesamt wurden 215 Individuen aus 25 Arten bestimmt, davon jeweils 16 Arten auf den Wildstaudenmischungen und zehn Arten auf den Rasenflächen. Generell konnten bei den Beobachtungen der Bestäuber keine Einflüsse des Flächenzuschnitts und keine Wechselwirkung mit Bäumen nachgewiesen werden.
Bei der gebietseigenen Mischung waren die Blüten von Centaurea jacea und Leucanthemum ircutianum am beliebtesten, bei der nicht-heimischen Mischung wurden die meisten Blütenbesuche an Nepeta racemosa und Hyssopus officinalis gezählt (Abb. 8). Unabhängig von der Herkunft der Wildpflanzen wurden die Blüten der verschiedenen Pflanzenarten von unterschiedlichen Bestäubergruppen besucht. So wurden beispielsweise Papaver rhoeas (gebietseigen) und Sideritis scardica (nicht-heimisch) vor allem von Hummeln besucht, während an den Blüten von Dianthus carthusianorum und Scabiosa ochroleuca (gebietseigen) nur Schmetterlinge beobachtet wurden. Arten wie Achillea millefolium (gebietseigen) und Salvia amplexicaulis (nicht-heimisch) dagegen wurden von diversen Arten der Wildbienen, (Schweb)Fliegen und Schmetterlinge besucht.


Die Mischung macht's – faunistische Artenvielfalt durch hohe Pflanzendiversität
Unter der extremen Hitze und Trockenheit unseres Versuchs war die Verschiebung des Blütezeitpunktes bei den gebietseigenen Wildpflanzen deutlich sichtbar. Doch die entstandene Trachtlücke konnte durch die robusten und spät blühenden Arten der nicht-heimischen Mischung gefüllt werden. Die nicht-heimische Mischung konnte insgesamt mehr Bestäuber anlocken, auch einige gefährdete und spezialisierte Arten haben diese Pflanzen als Nahrungsquelle genutzt. Jedoch wollen wir keinesfalls den Einsatz von rein nicht-heimischen Mischungen propagieren, denn es ist stark davon auszugehen, dass solche Pflanzungen nicht allen heimischen Insekten ausreichend Nahrung liefern können. Einige Wildbienenarten oder Larvenstadien der Schmetterlinge sind in ihren Anpassungen an die Wirtspflanzen hoch spezialisiert, sodass das Angebot heimischer Pflanzen zwingend erforderlich ist.
Für den Einsatz an Extremstandorten wie dem Straßenbegleitgrün erscheint eine Kombination aus gebietseigenen beziehungsweise heimischen und nicht-heimischen Wildpflanzen erfolgsversprechend. So können die gebietseigenen (bzw. heimischen) Arten vor allem im Frühjahr Nahrungsquellen schaffen und spezialisierten Insekten die Lebensgrundlage sichern, während nicht-heimische Arten vor allem im Sommer und Herbst, sowie in Zeiten extremer Hitze und Trockenheit das Blütenangebot aufrechterhalten. Eine Mischung aus gebietseigenen (bzw. heimischen) und nicht-heimischen Wildpflanzen kann so ein durchgängiges Blütenangebot schaffen. Eine mögliche Mischung der Wildpflanzen, die sich in unserem Versuch gut etabliert haben, ist auf der Projekt-Homepage der LWG Bayern zu finden: https://t1p.de/5sam1
Literatur
DKK (2022). Deutsches Klima-Konsortium, Deutsche Meteorologische Gesellschaft, Deutscher Wetterdienst, Extremwetterkongress Hamburg, Helmholtz-Klima-Initiative, klimafakten.de. Was wir heute übers Klima wissen: Basisfakten zum Klimawandel, die in der Wissenschaft unumstritten sind.
DWD (2020): Aus extrem wurde normal: Sommer in Deutschland, der Schweiz und Österreich immer heißer. Deutscher Wetterdienst. https://t1p.de/khkpl (zuletzt abgerufen am 14.12.2022).
Hennig, E.I., Ghazoul, J. (2012). Pollinating animals in the urban environment. Urban Ecosystems, 15: 149–166.
IPBES (2019). Global assessment report on biodiversity and ecosystem services of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services. Brondizio, E. S., Settele, J., Díaz, S., Ngo, H. T (Eds.). IPBES secretariat, Bonn, Germany, pp 1148. doi.org/10.5281/zenodo.3831673
Potts, S. G., Biesmeijer, J. C., Kremen, C., Neumann, P., Schweiger, O., Kunin, W. E. (2010). Global pollinator declines: trends, impacts and drivers. Trends in Ecology & Evolution 25, 345–353. doi.org/10.1016/j.tree.2010.01.007
Sirohi, M.H., Jackson, J., Edwards, M. et al. (2015). Diversity and abundance of solitary and primitively eusocial bees in an urban centre: a case study from Northampton (England). J Insect Conserv, 19: 487–500.
Westrich, P., (2018). Die Wildbienen Deutschlands, Ulmer Verlag, Stuttgart.
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