TU-Berlin

"Blau-grüne Straßen" gegen Trockenstress und Sturzfluten

Regenwasser Straßenbäume
Starkregen, der erst nach einer langen Trockenphase niedergeht, hilft den Bäumen kaum, denn das Wasser wird meist schnellstmöglich abgeleitet. Wie dies geändert werden kann, soll das Forschungs- und Entwicklungs-Verbundvorhaben "BlueGreenStreets" untersuchen. Foto: Christian Beuschel, pixelio.de

In Großstädten wie Berlin leiden Straßenbäume trotz Extremniederschlägen unter Dauerstress durch Dürreperioden - Wassermanagement muss neu gedacht werden.

Der Herbst ist da und bringt endlich Regen mit sich. Doch die Folgen des diesjährigen Extremsommers werden uns auch die nächsten Jahre noch beschäftigen, befürchten Wissenschaftler*innen (s.a. Luedeke, S. 25ff.). Nach dem zweiten Sommer mit ungewöhnlich hohen Temperaturen und langanhaltenden Trockenperioden waren die Auswirkungen auf die Straßenbäume im Berliner Stadtbild deutlich zu erkennen. Gleichzeitig führten zwei Extremniederschläge zu rapiden Überflutungen ganzer Straßenzüge ohne den Dürrestress der Bäume zu mindern, da die klassische Stadtentwässerung für die möglichst rasche Ableitung des Wassers sorgt, was die Kanalisation in dieser Extremsituation überlastet und die Gewässer mit Schmutzfracht belastet. Abhilfe könnte eine Umstrukturierung des urbanen Wassermanagements schaffen, das die umgehende Ableitung von Regenwasser verhindert, das Wasser für die Bewässerung nutzt und damit eine Anpassung an den lokalen Klimawandel ermöglicht. Das mit 2,5 Millionen Euro geförderte BMBF-Verbundvorhaben "BlueGreenStreets" will durch eine Neudefinition und sogenannte Multikodierung von Straßenräumen dieses Dilemma auflösen.

"Schon Ende Juli schien in vielen Straßenzügen der Herbst Einzug gehalten zu haben, wenn man in die Kronen von Stadtbäumen schaute: Gelbes Laub, kahle Äste und fallende Blätter", sagt Dr.-Ing. Björn Kluge vom Fachgebiet Ökohydrologie und Landschaftsbewertung der TU Berlin. "Unsere Straßenbäume zeigen zunehmend deutliche Schäden." Dies lasse sich zum einen auf die geringen Niederschläge 2018 und 2019 zurückführen, mit nur 376 Litern beziehungsweise in 2019 bisher nur 323 Litern pro Quadratmeter, während der langjährige Durchschnitt bei 580 Litern pro Quadratmeter liege, zum anderen auch auf die deutliche Zunahme der "Sommertage" mit über 25 Grad Celsius und der "heißen" Tage mit über 30 Grad Celsius. Gleichzeitig wurde Berlin in diesem Sommer von gleich zwei Jahrhundert-Extremniederschlägen mit Regenmengen von rund 30 Litern pro Quadratmeter in nur 20 Minuten überflutet. Und auch in anderen wachsenden Städten besteht die Gefahr, dass es durch die Bebauung und damit den Verlust wichtiger Grünflächen zu mehr Überflutungen kommt.

Förderung von Versickerung und Verdunstung durch intelligente Lenkung

"Bei gleichzeitiger, extremer Trockenheit im Wurzelraum der Stadtvegetation erzeugen Extremniederschläge urbane Sturzfluten, welche in kürzester Zeit abfließen, die Gewässer belasten, die Nutzung des Verkehrsraumes einschränken und zu Gebäude- und Infrastrukturschäden führen, während die Straßenbäume auf dem Trockenen sitzen", erklärt Prof. Dr. Eva Paton, die das Fachgebiet leitet. Diese Extremniederschläge minderten also den Dürrestress der Bäume keineswegs. Grund sei eine nicht angepasste Gestaltung der Stadt, denn das Wasser werde nach klassischer Stadtentwässerung so schnell wie möglich aus der Stadt abgeleitet. "In der zukünftigen Stadtentwicklung brauchen wir eine intelligente Lenkung, um Niederschläge und Überflutungsereignisse durch dezentrale Versickerung und Verdunstung in temporären wie dauerhaften Retentionsräumen deutlich abzupuffern", erklären die Wissenschaftler*innen. Diese Räume könnten Parkflächen, Straßenräume, Mulden, Baumscheiben, Baumrigolen- und Fassadenbegrünungssysteme sowie eine Kombination aus diesen Elementen sein. Stadtbäumen und grünen Fassaden würde durch diese Zwischenspeicherung im Boden deutlich mehr Wasser zur Verfügung stehen. Das hätte mannigfaltige positive Wirkungen auf den urbanen Raum zur Folge: Entlastung der Kanalisation, weniger Schmutzfracht für die Gewässer, höhere Baumvitalität und damit geringere Baumpflegekosten sowie eine deutlich höhere Verdunstung mit stärkerem Kühlungseffekt an heißen Tagen.

"Diese Art der Wassernutzung ist allerdings derzeit aus rechtlicher Sicht bisher nur sehr eingeschränkt genehmigungsfähig", so Björn Kluge. Es müsse also zunächst eine Anpassung der gängigen Verwaltungspraxis stattfinden. Unter anderem müsse der Grundwasserschutz berücksichtigt sowie die zu erwartenden Nutzen durch Untersuchungen und Risikoabschätzungen validiert werden. Diese Untersuchungen sowie die Nutzung von Synergien und die Möglichkeiten der Verknüpfung und Implementierung untersucht das Forschungs- und Entwicklungs-Verbundvorhaben "BlueGreenStreets", das soeben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme "RES:Z - Ressourceneffiziente Stadtquartiere für die Zukunft" für drei Jahre bewilligt wurde. An dem mit rund 2,5 Millionen Euro geförderten Projekt ist die TU Berlin mit zwei Teilprojekten beteiligt. Das Fachgebiet Ökohydrologie des Instituts für Ökologie untersucht die Verdunstungsleistung von Stadtbäumen und Fassadengrün und führt Messungen zu deren Verdunstungsleistungen durch, um den Wasserbedarf und potenziell mögliche Verdunstungsmengen abzuleiten. Die Daten werden für die Modellierung zur Ableitung der Auslegung und der Effekte von sogenannten "Blau-Grünen Straßen" mit integriertem Stadtgrün und Wasserflächen im Stadtraum genutzt. Das Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft des Instituts für Bauingenieurwesen identifiziert und untersucht verkehrliche Belastungs-Hotspots im Straßenraum und erprobt Reinigungsverfahren.

Weitere Informationen über Dr. Björn Kluge, bjoern.kluge@tu-berlin.de
oder unter www.oekohydro.tu-berlin.de/ menue/forschung/laufende_forschungsprojekte

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