Parks bilden, ziehen Besucher an und machen glücklich

Gärten und ihre Gäste

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Abb. 1: Übergabe des Sammelbandes "Gärten und ihre Gäste" von Prof. Dr. Steffen Wittkowske, Universität Vechta (l.), und Prof. Dr. Christian Antz, Deutsches Institut für Tourismusforschung Heide (r.), an Bundesbauministerin Klara Geywitz auf der Insel Mainau. Foto: dgg/Peter Allgaier

Die Suche des "Homo urbanus" nach greifbarer Natur, gesunder Ernährung und natürlicher Bewegung beschert dem Garten und dem Gärtnern im letzten Jahrzehnt eine gesellschaftliche, soziale und ökologische Aufwertung und lässt den Garten zum erweiterten Lebens-, Wohn- und Kreativbereich des mitteleuropäischen Menschen im 21. Jahrhunderts werden.

In der globalen und virtuellen Welt werden Gärten zudem zur Antipode oder Alternative des iPads. Während das eine nur noch zart mit den Fingerspitzen berührt wird, braucht das andere ganzen Körpereinsatz. Mit den Händen in die Erde greifen, ganz haptisch, sinnlich und sinnvoll seine Freizeit gestalten, den Knopf an Rechner und Kopf ausschalten, einfach nur vor sich hin harken, wird zur Gegenwelt des Workoholic, als Idealwelt der künftigen Work-Life-Balance.

Schon im Jahr 2014 besitzen 36,4 Millionen Deutsche einen Garten; neben verheirateten Personen sind auch Haushalte mit Kindern überdurchschnittlich häufig unter den Gartenbesitzern vertreten. Während Ältere, deren Kinder mittlerweile aus dem Haus sind, ganze Gartenlandschaften quasiprofessionell und strategisch gestalten, hat sich daneben mittlerweile eine breite Klientel von jungen Leuten dem Thema Garten zugewandt. Ob Urban Gardening auf einer kleinen Balkonfläche, neue Datschenkultur, Gemeinschaftsgarten oder Guerilla Gärtnern, eine bisher kaum beachtete Klientel von unter 30jährigen wandelt sich zu Gartenenthusiasten.

Gleichzeitig überschwemmen Gartenbücher zu jeglichen, auch noch so exotischen, Themen seit Jahren den Markt. Auch der weiterwachsende Erfolg von Garten- und Landzeitschriften in dem insgesamt schwierigen Zeitschriftenmarkt ist den Zukunftsforschern mitunter ein Rätsel. Magazine wie die "Landlust", die mit über 1 Millionen abgesetzten Exemplaren im vierten Quartal 2015 den fünften Platz unter den am Kiosk erhältlichen Zeitschriften belegt, gewinnen kontinuierlich weitere Leser und überflügeln Querschnittsblätter wie "Focus", "Bunte" oder "Gala".

Mit einem authentischen Dreiklang aus Natur, Produkten und Kultur sowie menschenleeren Fotostrecken setzt die "Landlust" auf Entschleunigung und bedient damit vor allem die Zielgruppe der Lohas, jene Städter mit gehobenem Einkommen und Sehnsucht nach dem einfachen und nachhaltigen Leben. Außerdem ist das Liebe-Land-Heimat-Lust-Glück-Segment nicht nur via Buch oder Zeitschrift nett anzusehen, sondern auch ein harter Wirtschaftsfaktor. Nur für Gartenbedarf wurden 2010 in den Gartenmärkten Deutschlands 7,4 Milliarden Euro umgesetzt, für Home und Garten 2011 insgesamt 63 Milliarden Euro.

Auch auf Reisen sind Gärten und Parks idealerweise "Orte der Ruhe und Langsamkeit" und können so in die aktuellen touristischen Trends Entspannung, Entschleunigung, Wohlbefinden und Wellness eingebunden werden. Interesse an gartenbegleitenden Angeboten besteht daher vor allem für Cafés und Restaurants sowie Theateraufführungen, gefolgt von Picknicks, Kleinkunst oder klassischen Konzerten.

Für den Besuch von Parks lassen sich die Besuchsmotive den Themen Erholung, Kultur und Erlebnis zuordnen, wobei für mehr als 70 Prozent der Deutschen die Motive "Ruhe, Erholung und Entspannung" sowie "Spazieren gehen, Wandern, Natur erleben" im Vordergrund stehen. Basierend auf der Besuchshäufigkeit sowie den Motiven und Einstellungen zu historischen Gärten können Naturliebhaber, Kulturbesucher und Erlebnisorientierte neben Stammkunden als mögliche Besuchersegmente identifiziert werden.

Unter dem Gartenreisemarkt versteht sich Tourismus, dessen geographische beziehungsweise thematische Ziele Gärten oder Parks sind, unabhängig von der Entstehungszeit der Garten- beziehungsweise Parkanlage und unabhängig davon, ob die Anlage im öffentlichen oder privaten Besitz steht. Die Bandbreite reicht daher vom quadratkilometergroßen Park von Versailles bis zum kleinen Privatgarten, der zum Beispiel im Zuge der "Offenen Gartenpforte" besucht werden kann.

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Abb. 2: Elbauenpark Magdeburg. Foto: Gartenträume Sachsen-Anhalt e. V., Stephanie Elgert
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Abb. 3: Führung im Schosspark Moritzburg Zeitz. Foto: Gartenträume Sachsen-Anhalt e. V., Felicitas Remmert
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Abb. 4: Barockgarten Blankenburg (Harz). Foto: Gartenträume Sachsen-Anhalt e. V., Stephanie Elgert
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Abb. 5: Küchengarten Drübeck. Foto: Gartenträume Sachsen-Anhalt e. V., Felicitas Remmert

Im engeren Sinne wird eine Gartenreise nur dann diesen Namen verdienen, wenn der Besuch von alten (historischen) und neuen (modernen) Gärten und Parks im Zentrum des Reiseprogramms steht. Aber auch Gärten als zusätzliches Reiseelement oder als regenerierender Rückzugsort unterwegs sollten mit in die Betrachtung des Gartentourismus einbezogen werden. Auch zur Einbeziehung von emotionalen unbewussten Facetten des Gartenbesuchs sowie zur Darstellung des interdisziplinären Annäherns an das Thema trägt der nun vorliegende Sammelband den Titel "Gärten und ihre Gäste" statt Gartentourismus.

Den Gartentouristen stehen in Deutschland eine große Vielfalt historischer, botanischer, öffentlicher oder privater Gärten und Parks offen: Alleine 1500 verzeichnet das Standardwerk des deutschen Gartenreiseführers von Ronald Clark bereits 2011, von denen die meisten in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg zu finden sind.

Trotzdem sind die Marktdaten erheblich geringer. Selbst die zehn besucherstärksten Parks in Deutschland wissen nicht so genau, wie viele und welche Besucher ihr Grün lieben. Die ungefähr 2,1 Millionen Besucher pro Jahr im UNESCO Welterbe Schlosspark Sanssouci in Potsdam oder die 3,5 Millionen im Englischen Garten in München sind nur geschätzt. Und über deren gartentouristischen Motive und Potenziale wissen wir so gut wie gar nichts.

Als geeignete Reiseziele für den Besuch von Gärten und Parks werden in Deutschland bei einer Spontanabfrage neben Bayern Städte wie Potsdam, München, Berlin und Hamburg genannt, die über herausragende Gartenanlagen verfügen und in jüngerer Zeit Bundesgartenschauen (BUGA) oder Internationale Gartenschauen (IGA) ausrichteten.

Nach der Sanierung von kriegszerstörtem oder industriellem Gelände dienten die Gartenschauen lange vor allem der Neu- und Umgestaltung von städtischen Parks, Brachflächen oder Stadträndern. Neben den quantitativen und qualitativen Leistungen der Gartenschauen (Besucherzahlen, Erhöhung der Lebensqualität) werden Gartenschauen aber zunehmend auch als Motor für touristische Impulse und urbane Zielsetzungen verstanden.

Während die Besucherzahlen der BUGAs und IGAs bekannt sind, gibt es für die meisten Parks und Gärten nur Schätzungen, die von mehreren Hunderttausenden bis Millionen Besuchern reichen, da sie öffentlich zugänglich sind und eine Zählung somit nur schwer möglich ist. Um die Besucher dieser großen Anlagen auch zu den kleineren, unbekannteren Gärten zu bringen, wurden in den letzten Jahrzehnten auch zahlreiche regionale Gartennetzwerke mit dem Ziel der gemeinsamen touristischen Vermarktung gegründet, denen 2007 die bundesweite Initiative Gartennetz Deutschland e. V. folgte.

Auch in Zukunft werden die Gartenanlagen dabei im Spannungsfeld von Besuchern, Denkmalpflegern und (Tourismus-)Wirtschaft liegen, deren unterschiedliche Ansprüche bei der Vermarktung zu berücksichtigen sind.

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Abb. 6: Barockgarten Hundisburg. Foto: Gartenträume Sachsen-Anhalt e. V., Felicitas Remmert
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Abb. 7: Entspannung im Wörlitzer Park. Foto: Gartenträume Sachsen-Anhalt e. V., Stephanie Elgert GT
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Abb. 8: Mit dem Rad in den Park. Foto: Gartenträume Sachsen-Anhalt e. V., Felicitas Remmert

Zum ersten Mal wird im deutschsprachigen Raum nun der Versuch unternommen, das Thema Gartenreisen aus interdisziplinärer Perspektive und in vielfältigen Facetten zu betrachten. Dabei werden einerseits die zu bereisenden Gärten in den Mittelpunkt gerückt: kleine und große, historische und neue, ephemere und bleibende, im deutschsprachigen und europäischen Kontext sowie in historischer wie zukünftiger Ausrichtung.

Andererseits geht die Betrachtung nicht nur in Richtung auf die Einzigartigkeit, den Schutz, das Kultur- und Naturgut Garten, sondern gleichwertig werden die sich verändernden und sich entwickelnden Bedürfnisse, die Interessen, die Veränderungen bei den Besuchern in den Blickpunkt genommen. Und dabei interessiert nicht so sehr eine abstrakte Objekt-Subjekt-Korrelation, sondern der Besucher als emotionales Wesen: "Gärten und ihre Gäste".

Gärten haben im Deutschlandtourismus immer ein stiefmütterliches Dasein gefristet, wurden als nettes Beiwerk im Rahmen des Kulturtourismus gerne mitgenommen und mitvermarktet. Im Vergleich zu England und Frankreich, wo Gartenbesuch mit gleichzeitigem Gartengenuss eine lange und feste Tradition hat, findet sich das Gartenreisen in Deutschland gerade erst im Aufbruch.

Die Tourismusbranche sollte sich jedoch ihres Gartenpotenzials bewusst sein, denn im letzten Jahrzehnt zieht neben der gesellschaftlichen, auch die touristische Affinität der Kunden für Gärten und Parks gerade im Zusammenhang mit einer breit ausgerichteten Sinnsuche an. Über alle Alters-, Generations- oder Geschlechtsklassen hinweg interessieren sich in ganz Deutschland ungefähr 50 Prozent der Bevölkerung für einen Besuch in Gärten und Parks - ein sensationell hoher Anteil, wenn man bedenkt, dass sich nur 30 Prozent für die Besichtigung von Denkmalen begeistern können.

Neben der ästhetischen und kunstgeschichtlichen Bedeutung bietet gestaltetes Grün denn auch einen noch größeren Mehrwert als Kultur. Dieser reicht von Gesundheit über Aktivtourismus bis zu Entspannung und Genuss. Wenn sich Jugendliche in den österreichischen Bundesgärten nur dem Chillen hingeben wollen, so sind sie doch eine große und vor allem nachwachsende Zielgruppe und außerdem in guter Gesellschaft mit den angelsächsischen Kundengruppen älterer Generationen.

In dem Sammelband "Gärten und ihre Gäste. Analysen, Fakten, Trends" nähern sich 30 Autoren in 25 Beiträgen diesem Phänomen Garten in unserer globalisierten und medialisierten Welt von ganz unterschiedlichen Perspektiven. So werden Gärten zunächst in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang gestellt ("Gärten und Parks im Wandel. Vom Paradiesgarten Eden über die Renaissancegärten bis zum IP-Gardening 4.0", Klaus Neumann), mit den Zukunftsthemen Gesundheit ("Grünräume, Gärten und Gesundheit. Eine Partnerschaft zwischen Mensch und Garten in unendlichen Facetten", Heinrich J. Lübke) und Nachhaltigkeit ("Gärten als Modelle der Nachhaltigkeit", Hansjörg Küster sowie "Die Zukunft von Gärten für die Menschen von morgen. Von Nutzung, Gestaltung und Übernutzung historischer Gärten", Joachim Wolschke-Bulmahn) verknüpft.

Ein Thema, das dem Buch besonders am Herzen liegt, über das viel geredet wird, ohne dass oft zukunftsfähiges Handeln folgt, ist das Thema Bildung. Gerade Gärten öffnen im spielerischen Lernen und in Verbindung mit Genießen neue Bildungswelten, bei sehr unterschiedlichen Herangehensweisen und Zielgruppen, mit Kindern ("Historische Gärten als Lernorte. Bildungs- und Vermittlungsangebote für Gartendenkmale" Inken Formann und Bianca Limburg), in Schulen ("Schulgärten. Orte zum Leben und Lernen", Steffen Wittkowske), mit Erwachsenen ("Gartenakademien in Deutschland. Mehr Freude im Garten durch Bildung", Marianne Scheu-Helgert) oder über Bücher ("Von Immerblühern und Einjährigen. Der Gartenbuchmarkt im Wandel des Kundeninteresses", Volker Hühn).

Die Wirkung von Gärten und Parks geht aber weit über den klassischen Bildungsrahmen hinaus. Sie prägen unsere Nahrung ("Garten und Kulinaristik. Parks als Nahrungsquelle und Restaurantinspiration", Michael Polster), fordern zum Miteinander auf ("Netzwerk Garten & Mensch. Bürgerschaftliches Engagement für Gärten, Parks und Plätze", Philipp Sattler) und sind entscheidend für die Zukunft unserer Städte ("Gärten als Teil der Baukultur. Die Rolle des Grüns für Klima, Lebensqualität und Urbanistik", Reiner Nagel und Belinda Rukschcio, sowie "Die grüne Stadt. Über die Bedeutung öffentlicher und privater Grün- und Freiflächen in Kommunen", Peter Menke).

Auf diese entscheidende und zukunftsweisende Prägung von Lebensumfeld und Lebensqualität durch Gärten hat auch die Konzeption von Gartenschauen einen Wandel erfahren hin zu nachhaltiger Stadtentwicklung ("Von der Sortimentsschau zur integrierten Stadtentwicklung. Bundesgartenschauen (BUGA) und Internationale Gartenausstellungen (IGA) als Impulsgeber, Sibylle Esser und Jochen Sandner, sowie "Landesgartenschauen. Zwischen Spaßveranstaltung, Stadtentwicklung und Gesellschaftsrelevanz", Christian Rast und Lukas Melzer).

Diese neue, Mensch und Natur versöhnende und beide regenerierende Perspektive wenden auch neu geschaffene und bleibende Gärten an, in Stadt ("Gärten der Welt in Berlin. Eine Geschichte vom Bewahren, Entwickeln und Verändern", Beate Reuber) und Land ("Die GARTEN TULLN. Das niederösterreichische Konzept einer nachhaltigen Gartenschau für die Gäste von morgen", Franz Gruber).

Auch Gartennetzwerke prägen durch ihren interdisziplinären Ansatz unser gesamtes Leben, jetzt und in Zukunft, ob in einer Großstadt ("Die Grün Berlin Gruppe. Ein interdisziplinäres grünes Management für die Metropole Berlin", Christoph Schmidt), mit historischen Gärten im ländlichen Raum ("Gartenträume Sachsen-Anhalt. Ein Landesnetzwerk historischer Gärten als touristisches Produkt", Felicitas Remmert) oder im europäischen Zusammenhang ("Vom Einzelgarten zum europäischen Austausch.

Das rheinländische Schloss Dyck und sein breites Netzwerk", Jens Spanjer). Gärten verändern durch ihre zukunftsweisende Prägung das Image von Städten ("Gärten als Imagefaktor. Das Beispiel der Herrenhäuser Gärten", Ronald Clark) und von Menschen ("Offene Gärten. Neue Wege im Tourismus", Susanne Gervers).

Trotzdem reagieren Besucher immer sehr unterschiedlich und differenziert auf die grünen Angebote, ob in der Vergangenheit - "Die Gartenbesucherinnen und -besucher. Motive und Erfahrungen im 18. und 19. Jahrhundert", Christian Hlavac) oder heute und in Zukunft ("Gartentourismus. Was sagt die Marktforschung?", Bernd Eisenstein und Sarah Dornheim). Und zentrale Zielgruppen haben wieder besondere Interessen, obwohl sich diese auch stark verändern ("Gartenreisen in der Gruppe. Die Entwicklung von Angebot sowie Kundinnen und Kunden im Wandel", Carl Raml).

Fakt ist, dass sich Gärten und Parks in den breiten und langfristigen Trend der Sinnsuche in Gesellschaft und Reisen einfügen, nein diesen auch langfristig prägen ("Slow Tourism und Gartenreisen. Über die neue Sehnsucht nach Langsamkeit, Sinnlichkeit und Sinnhaftigkeit", Christian Antz).

Und es hätten noch mehr Aspekte der Annäherung an das Thema Gärten und ihre Gäste sein können. Trotzdem füllt der vorliegende Sammelband mit seinen 25 interdisziplinären Beiträgen auf 436 Seiten zur Gartenaffinität eine bisher klaffende Lücke in der garten- wie tourismuswissenschaftlichen Forschung. Alle Autor*innen haben ihren spezifischen Zugang in den Gesamtkontext der Gartenreisen gewählt, was den Band für verschiedene Fachrichtungen spannend macht und neue Wahrnehmungen hervorruft. Und damit zeigen alle gemeinsam, dass Gärten und Parks nicht nur gesellschaftlich nett und schön sind, sondern die Gesellschaft nachhaltig positiv und tief prägen.

Den Netzwerkern ist geglückt, bundesweite Experten aus Wissenschaft und Praxis in diesem Sammelband zu Wort kommen zu lassen. Am Ende ist damit auch ein länder- und hochschulübergreifendes Kooperationsprojekt der Fachhochschule Westküste in Heide und der Universität in Vechta entstanden. Nun liegt es an der Politik und den Entscheidern Gärten und Parks entsprechend ihrer gesellschaftlichen Bedeutung in Neuanlage, Pflege und Nutzung in Beschlüssen strategisch und finanziell zu berücksichtigen. Dazu soll das Buch neben dem interdisziplinären Austausch ebenfalls beitragen. Gärten können Allrounder des guten Lebens sein, aber nur über gelebte Anwendung, Vermittlung und Nutzung.

Gärten sind deutschlandweit im Kommen! Ob im Inlandstourismus oder bei der Zeitschriftenlektüre, ob im Gartenmarkt oder bei den Fernsehprogrammen - Parks und Gärten sind Ausdruck einer unausgesprochenen Suche nach Ursprung und Glück. In der momentanen Entwicklung von der Erlebnis- zur Sinngesellschaft können Gärten eine zentrale Rolle spielen. Nach englischem Vorbild begeben sich immer mehr interessierte Besucherinnen und Besucher auf landschaftliche Spurensuche. Gartentouristisch bietet Deutschland dabei noch weitgehend ungenutzte, aber hochkarätige Potenziale. Touristisch aufbereitete Gartenrouten, jährliche Veranstaltungen, kontinuierliche und qualitative Parkpflege, interdisziplinäre Weiterbildungsangebote oder grenzüberschreitender Erfahrungsaustausch können Deutschland in seiner gartenkulturellen Vielfalt weiter erschließen.

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Abb. 9: Picknickgenuss, hier in Wernigerode. Foto: Gartenträume Sachsen-Anhalt e. V., Stephanie Elger

In Deutschland lassen sich noch kaum flächendeckende Zahlen zum Gartentourismus ermitteln, obwohl das Thema Garten und Gärtnern ähnlich wie in Frankreich und Großbritannien auf Wachstumskurs ist und die Deutsche Zentrale für Tourismus das Thema 2006 zu ihrem nationalen Jahresthema gemacht hat. Meist sind die Besucherzahlen nur geschätzt, da kein Eintritt verlangt wird; die Nutzungsart sowie die ländlichen oder städtischen Lagen ergeben jedenfalls ein sehr differenziertes Bild. Auch für die volkswirtschaftlichen Auswirkungen des Gartenmarketings und indirekt der Garteninvestitionen in Deutschland liegen bisher nur punktuelle Betrachtungen - wie zum Gartenreich Dessau-Wörlitz - vor.

Die Trends in Großbritannien und Frankreich haben gezeigt, dass der Garten an sich sowohl als Freizeitbeschäftigung als auch hinsichtlich der Tourismusnachfrage "en vogue" ist. Mit jährlichen Besucherzahlen im Bereich von 15 Millionen verzeichnen beide Länder eine hohe Nachfrage im Gartentourismus. Das Interesse der typischen Gartenbesucher liegt auch dort schwerpunktmäßig auf dem generellen Bedürfnis nach Ruhe, Idylle, Ästhetik und Natur. Die Mehrheit der Besucher will einfach einen erholsamen Tag in attraktiver (!) Umgebung. Sie sind keine Gartenspezialisten, sind oftmals in Zusammenhang mit einem eigenen Garten am Thema Gärtnern interessiert, spüren jedoch unterbewusst die hohe ästhetische Qualität und Authentizität sowie das Distanz schaffende Anderssein der historischen Gartenanlagen.

So brachte auch Franz Sattlecker, damaliger Geschäftsführer des Schlosses Schönbrunn in Wien, die Chancen des Gartentourismus 2006 auf den Punkt: "Den Konsumenten geht es nicht nur darum, ihre Bedürfnisse abzudecken, sondern um Wünsche und Träume". Gärten üben in einer globalisierten und hektischen Welt vor allem für die Naherholung und den Kurzzeittourismus eine hohe Anziehungskraft aus, wobei wie in Frankreich und England auch in Deutschland bedeutende Gartenanlagen existieren, die in Kooperation überregional als Motiv für eine Reise stehen können. Dies zeigt sich bereits im Gartenreich Dessau-Wörlitz, das einerseits einen hohen Stammkundenanteil aus dem Nahbereich aufweist und andererseits überregional natur-, kultur- und erlebnisorientierte Gäste anzieht.

Gerade im Tourismus macht sich diese gesellschaftliche und wirtschaftliche Gartenaffinität bemerkbar. Garteneigentümer, -denkmalpfleger und -touristiker müssen also umdenken, um das gartentouristische Potential in der Gesellschaft - ähnlich wie beim Gartenbuch- oder Gartenfilmmarkt - zu heben. Wie neue Zielgruppen angesprochen werden beziehungsweise wie Parks auf neue Trends reagieren können, zeigt beispielhaft der Erfolg neuerer Bundes- und Landesgartenschauen (BUGA/LAGA) in Deutschland. Waren die Bundesgartenschauen (seit 1951) Jahrzehnte lang reine "Blümchenschauen" mit dem bis heute anhaltenden Besuchermagneten Friedhofsgestaltung, so sind sie in den letzten 25 Jahren zu Motoren einer nachhaltigen Stadtentwicklung mutiert.

Neben den Hauptzielgruppen Familien und 55plus werden durch die BUGAs mehr und mehr Garten- und Kulturinteressierte jüngerer Generationen angesprochen. Insgesamt 2,4 Millionen Besucher kamen 1999 zur BUGA nach Magdeburg, 1,9 Millionen 2009 nach Schwerin und gar 3,6 Millionen 2011 nach Koblenz. Entscheidend für den Gartentourismus ist klarerweise die Steigerung der Gästeankünfte: im BUGA-Jahr 2009 kamen in Schwerin im Vergleich zum Vorjahr um 24 Prozent mehr Gäste. Und 57 Prozent der Gartenschaubesucher äußerten den Wunsch, wieder nach Schwerin zu kommen. Die Langfristigkeit des Gartentourismus wurzelt in gesellschaftlichem, strukturellem und wirtschaftlich-touristischem Boden und prägt diesen großen Lebensrahmen gleichzeitig entscheidend.

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Abb. 10: Stadtpark Rotehorn Magdeburg. Foto: Gartenträume Sachsen-Anhalt e. V., Felicitas Remmert

Literatur

Christian Antz und Steffen Wittkowske (Hg.): Gärten und ihre Gäste. Analysen, Fakten, Trends. Geleitwort: Wolfgang Sobotka, Präsident des Österreichischen Nationalrats. München: UVK Verlag 2022.

Prof. Dr. phil. Christian Antz
Autor

Fachhochschule Westküste Heide

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