Von der Eiszeit bis zur Stadtplanung: Birken im Wandel

Die Birken – Überblick, Verwendung und Risiken in der Stadt

Während der ökologischen Katastrophe der nordeuropäischen Elster-, Saale- und Weichseleiszeiten (vor rund 2 Millionen bis etwa vor 20.000 Jahren) starben viele Pflanzenarten in Mitteleuropa aus. Nachdem vor ca. 20.000 Jahren die letzte Eiszeit (Weichsel-Glazial) ihren Höhepunkt mit dem Brandenburger Stadium erreicht hatte, begann die Klimaerwärmung der bis heute andauernden Warmzeit. In die eisfreien Gebiete mit zunächst noch Dauerfrostboden und allenfalls tundrenähnlicher Vegetation begannen ganz allmählich vor circa 15.000 Jahren auch wieder erste Gehölzarten aus den Rückzugsgebieten (meist südlich der Alpen) einzuwandern.
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Abb. 1: Birkenallee – die Stämme sind gegen thermische Rindenschäden durch den natürlichen Betulin-Gehalt geschützt (l.), die meisten anderen Straßenbaumpflanzungen benötigen einen künstlichen Schutz (z. B. Stammschutzfarbe an Eichen, r.). Fotos: Henrik Weiß

Einleitung

Das waren zunächst strauchartige Vertreter der Weiden (Gattung Salix), jedoch bald darauf (schon vor circa 13.000 Jahren) folgten Birken, quasi als "Bäume der ersten Stunde". In der Allerödzeit (Beginn vor circa 12.000 Jahren) bildeten in Mittel- und Osteuropa Birken gemeinsam mit der Kiefer wieder zunehmend Wälder. Beide Gattungen sind sehr frostverträglich und sehr reproduktiv. Die leichten und geflügelten Samen der Birken trugen besonders zu deren schnellen Ausbreitung bei – manche Birken produzieren schon im Alter von wenigen Jahren Tausende von Samen. Es verwundert also nicht, dass Birken schon in der Steinzeit durch Menschen genutzt wurden. Bei der 1991 in den Ostalpen gefundenen >5000 Jahre alten Gletschermumie aus dem Eis ("Ötzi") fand man mit Birkenteer verleimte Gegenstände (Axt, Pfeile), zwei Behälter aus Birkenrinde (Pollard & Heron 2008) und Fruchtkörperreste vom an Birken häufig vorkommenden Birkenzungenporling (Fomitopsis betulina, vermutlich als Medizin) sowie vom Zunderschwamm (Fomes fomentarius, vermutlich zum Feuer entfachen, Peintner et al. 1998, Pleszczynska et al. 2017).

Später diente die Birkenrinde als Papierersatz zum Schreiben, zum Abdichten von Dächern oder für Schuhe, Umhänge, Gürtel. Bei einigen Volksstämmen in Sibirien und der Mongolei verehrt man die Birke noch heute als Schamanen- oder Weltenbaum (Brunner 2009; Beiser 2017).

In der natürlichen Waldentwicklung Mitteleuropas wichen Birken bald den zurückkehrenden, konkurrenzfähigeren Gehölzarten. Nur in ganz trockenen Gebieten auf nährstoffarmen Böden (bspw. Sandergebiete Südbrandenburgs, Riffkiefernwälder im Elbsandsteingebirge) oder auf grundfeuchten Standorten (Moore) konnten sich Kiefer und Birke behaupten.

Dagegen gehören in Skandinavien, Osteuropa, Russland und Kanada Birken weiterhin zu den dominierenden Waldbaumarten. Deshalb gelten Birken in diesen Regionen noch heute als Wahrzeichen, sind als Charakterbäume mit den dort lebenden Völkern verbunden und werden wegen ihrer vielerlei Nützlichkeit bis heute sehr verehrt (Demandt 2002; Laudert 2003; Brunner 2009).

So wie Zedern und Palmen, Orangen- oder Pomeranzenbäumchen den warmen Süden symbolisieren, verkörpern Birken den "kalten" Norden. Dies soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige Birkenarten (im Süden des Verbreitungsgebiets der Gattung) in den Wäldern der Ausläufer des Himalaya ostwärts über China bis Vietnam vorkommen. So wächst beispielsweise Betula alnoides in Südostasien in subtropischen Wäldern mit Begonien und Ingwer (Ashburner & Mcallister 2013).

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Abb. 2: Birken besiedelten als erste Bäume die Stützmauer eines verwaisten Weges in Pirna, erst später erobern Ahornbäume und Eschen den Standort. Foto: Henrik Weiß
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Abb. 3: Solitäre Sand-Birke mit weißer Rinde und filigran herabhängenden Zweigen auf einem Golf-Platz Foto: Henrik Weiß
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Abb. 4: Niederliegende Zwerg-Birke (B. nana) am Felsen mit Krähenbeere und Flechten (r., Aursjøvegen, Norwegen); Moor-Birke (B. pubescens) mit strauchförmigem Wuchs (r., Hardangervidda-Nationalpark, Norwegen). Fotos: Henrik Weiß
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Abb. 5: Deutschlands stärkste Schwarz-Birke mit dunkler Rinde im Schlosspark Pillnitz (l.) Schwarz-Birke im Forst-Park Tharandt (Rinde und Blatt, rechts). Fotos: Henrik Weiß
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Abb. 6: Kahler Zweig (mit Seitenknospe) der Sand-Birke (B. pendula), der wegen der vielen Lentizellen wie „besandet“ wirkt (links); behaarter Zweig der Moor-Birke (B. pubescens, rechts). Fotos: Henrik Weiß

Namen

Der in vielen Sprachen sehr ähnliche Name "Birke" (engl. birch, schw. björk, russ. bereza, poln. brzoza, tschech. bˇriza, fanz. bouleau) geht vermutlich auf den indogermanischen Stamm "bhereg" für glänzen, weiß oder hell schimmernd wegen der bei vielen Birkenarten weißen Rinde zurück (Grimm & Grimm 1854–1960; Marzell 1977; Laudert 2003).

Den Weißgrad der Rindenzellen bestimmt die Menge an Betulin (syn. Betulinol, Betulinalkohol = pentazyklischer Triterpenalkohol C30H50O2), die bei weißrindigen Birken einen Anteil von circa 25 Prozent erreicht (Autorenkollektiv 1990). Betulin macht die Rinde wasserdicht und zudem sehr widerstandsfähig gegen Fäulnis, weitaus widerstandsfähiger als das Holz, so dass bei verrottenden Birkenstämmen die Rinde oft länger als das Holz erhalten bleibt.

Darüber hinaus bietet ein hoher Betulingehalt in der Rinde durch die weiße Farbe einen hervorragenden thermischen Rindenschutz, so dass Birken als beinahe einzige Straßenbäume bei der Pflanzung keinen künstlichen Rindenschutz benötigen (Abb. 1).

Der lateinische Gattungsname "Betula" könnte vom lateinischen Wort batuare (= schlagen) abstammen. Manche Autoren (Laudert 2003; Brunner 2009) deuten dies im Zusammenhang mit dem alten magischen Brauch des "Schlagens mit der Lebensrute" (meist mit einer Birkenrute zu Weihnachten, Ostern und Pfingsten) zum Übertragen von Fruchtbarkeit und Gesundheit (auch "Pfeffern" oder "Quicken" genannt).

Wegen ihres zeitigen Laubaustriebs im Frühjahr gilt die Birke als Baum des Neubeginns, des Lichts und des Frühlings (Leondin 2008; Beiser 2017). Deshalb wird sie in vielen Regionen bis heute als "Maie", "Maibaum" (Marzell 1977) oder als "Liebesmaien" (Birkenstämmchen, das in der Nacht zum ersten Mai von jungen Burschen heimlich vor die Tür oder das Fenster der Angebeteten gestellt wird) verwendet.

Anderen Quellen zufolge könnte sich das "schlagen" auch auf die Verwendung von Birkenruten zur Züchtigung beziehen. Nach Plinius (zit. in Demandt 2002) wurden solche Ruten bereits bei den Römern verwendet und auch im Mittelalter galten sie als legitimes Mittel zur Kindererziehung. Deutlich schöner ist da die lange Tradition der Verwendung von Birkenzweigen als Besen – nicht nur zur schnöden Bodenreinigung, sondern auch bei kultischen Handlungen oder zum Schutz vor Ungeziefer.

Die deutschen Artnamen beziehen sich entweder auf morphologische Eigenschaften (Warzen-Birke, Schwarz-Birke, Erlenblättrige Birke, Pappelblatt-Birke u. ä.) oder auf Inhaltsstoffe (Zucker-Birke), beinhalten Hinweise auf den häufigen Standort oder Herkunft (Moor-Birke, Sand-Birke, China-, Himalaja-Birke u. ä.) oder verdeutlichen Habituseigenschaften (Hänge-Birke, Strauch-Birke, Zwerg-Birke).

Allgemeines zur Gattung

Innerhalb der Familie der Birkengewächse (Betulaceae), mit den Gattungen Alnus Mill. (Erle), Betula L. (Birke), Carpinus L. (Hainbuche), Corylus L. (Hasel), Ostrya Scop. (Hopfenbuche) und Ostryopsis Decne. (haselnussartige Scheinhopfenbuchen), stellen die Birken mit > 60 Sippen die größte Gruppe (Grin 2024).

Sowohl Pollen (als Verursacher von Allergien, "Heuschnupfen") als auch die massenhaften Samen (in Dachrinnen, Entwässerungen) werden gelegentlich als Belästigung empfunden. Erfreulicherweise hat der Bundesgerichtshof in seinem birkenfreundlichen Leitsatz-Urteil vom 20.09.2019 einen nachbarrechtlichen Beseitigungs- oder Ausgleichsanspruch für drei große Birken wegen deren grenzüberschreitendem Pollen- und Samenflugs nicht bestätigt; solche von Birken ausgehenden Immissionen sind nicht untypisch (auch wenn diese arttypisch größer als bei anderen Baumarten sind) und der Nachbar muss dies dulden, sogar dann, wenn Haushaltsmitglieder an einer Pollenallergie leiden (BGH 2019).

Birken sind sommergrüne und tlw. meist sehr lichtbedürftige (viele Vertreter der Untergattung Betula) und deshalb konkurrenzschwache, kleine bis mittelgroße Bäume (viele Arten) oder Zwergsträucher (z. B. Strauch-Birke B.humilis, Zwerg-Birke B nana). Sie kommen ausschließlich auf der nördlichen Erdhalbkugel vor.

Als eher konkurrenzschwache Arten mit massenhafter Samenproduktion würden insbesondere die weißrindigen Birken (Sekt. Betula), ohne den landschaftsändernden Einfluss des Menschen, überwiegend als Pioniergehölze nur auf extremen Standorten wachsen, die von konkurrenzstärkeren Baumarten gemieden werden (Freiflächen mit großem Strahlungsstress und großen Temperaturschwankungen bei meist sehr tiefen Wintertemperaturen, nährstoffarme, leichte, sandige Böden, wechselfeuchte bis staunasse Standorte).

Die Birke ist der Inbegriff einer Pionierbaumart, d. h. sie gehört zu den ersten Gehölzen, die einen offenen Standort oder einen Rohboden besiedeln (gilt für Arten der Sektion Betula). Durch menschlichen Einfluss (Zurückdrängen des Waldes) entstanden künstliche "Waldlücken", durch welche die Birken in ihrer Ausbreitung stark unterstützt werden. So besetzen Birken im urbanen Raum ökologische Nischen wie verlassene Industriestandorte, Halden, Steinbrüche oder stillgelegte Bahndämme (Abb. 2).

Fragt man Laien, so stellen sich die meisten die Birke als grazilen, schlanken Baum mit feinen herabhängenden Zweigen mit strahlend weißer Rinde vor – so wie sich hierzulande die häufige Sand-Birke (B. pendula, vgl. Abb. 3) präsentiert. Deshalb wird die elegante Sand-Birke gern auch als "Dame des Waldes" bezeichnet. Dabei ist das Erscheinungsbild der verschiedenen Arten der Gattung sehr vielgestaltig – nur wenige andere Gattungen weisen ähnliche Extreme auf (z. B. Weiden). So wird die Amerikanische Gelb-Birke (B. alleghaniensis) als wichtigste nordamerikanische Nutzholzbirke als Forstbaum stattliche 30 Meter hoch, während Zwerg- und Strauch-Birke (B. nana, B. humilis) beziehungsweise Unterarten der Moor-Birke in den Tundren sehr klein bleiben (Abb. 4)

Auch die Farbe der Rinde ist nicht immer weiß, sondern variiert von fast schwarz, zum Beispiel bei den nordamerikanischen Arten Zucker-Birke (Betula lenta) und Schwarz-Birke (B. nigra, vgl. Abb. 5) über Braun- und Kupfertöne (z. B. B. utilis ssp. albo-sinensis) mit oder ohne weißen Belag bis hin zu reinem Weiß.

Die Knospen-, Blatt- und Zweigstellung ist bei Birken schraubig, so dass die Verzweigung dreidimensional raumfüllend ist. Typisch für manche Birken (z. B. Sand-Birke) ist eine Häufung von Lentizellen auf den Zweigen – sie wirken dadurch wie besandet (Abb. 6).

Die schnellwüchsigen Birken sind relativ kurzlebig; für Betula pendula wird eine Lebensdauer von 60 bis 80 (maximal etwa 120) Jahren angegeben (Roloff & Pietzarka 2000; Roloff 2013). Die langsamer wachsenden Mischbaumarten werden älter, zum Beispiel erreicht B. lenta ein Höchstalter von durchschnittlich 150 bis maximal 250 Jahre, B. alleghaniensis soll maximal sogar > 300 Jahre (Loehle 1987) und B. maximowicziana (engl.: Monarch birch!) kann über 260 Jahre alt werden (Stephan & Liesebach 2000).

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Abb. 7: Papier-Birken (B. papyrifera) in einer Dresdner Grünanlage (l.), Gruppe mit Sachsens stärkster Weißrindiger Himalaja-Birke (B. utilis subsp. jacquemontii) im Forstbotanischen Garten Tharandt (r.). Fotos: Henrik Weiß
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Abb. 8: Trauer-Birke B. pendula ’Youngii‘. Foto: Henrik Weiß
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Abb. 9: Birken etablieren sich als Erstbesiedler sogar auf wachstumsfeindlichen Standorten, wenn sich von Tausenden Sämlingen wenige durchsetzen und an die Bedingungen anpassen konnten (l.: vitaler Jungbaum auf Ruinendach); dagegen ist bei Straßenbaumpflanzungen oft eine hohe Absterberate zu beobachten (r.). Fotos: Henrik Weiß
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Abb. 10: Birken-Allee (Eberswalde, Brandenburg). Foto: Henrik Weiß

Verwendung von Birken in der Stadt

Bei den meisten baumartigen Birken im urbanen Raum handelt es sich um Sand-Birken (B. pendula). Nur wenige andere Birken, wie Moor-Birke (B. pubescens), Papier-Birke (B. papyrifera, vgl. Abb. 7 links) oder Himalaja-Birke (B. utilis, meist als weißrindige Varietät, Abb. 7 rechts) sind selten, viele Arten findet man nur in Arboreten oder Gärten.

Gelegentlich werden Sorten mit besonderer Wuchsform, auffällig weißer Rinde oder farbigem Laub in Parkanlagen und Gärten verwendet, zum Beispiel Trauer-Birke (B. pendula 'Youngii', Abb. 8), Weißrindige Himalaja-Birke 'Doorenbos' (B. utilis 'Doorenbos'), Blut-Birke (B. pendula 'Purpurea').

B. pendula ist eine der unempfindlichsten Baumarten gegen Frost und Klimaextreme (Roloff & Pietzarka 2000). So zählen Sand-Birken zu den Baumarten, die für die Verwendung im Stadtbereich nach der Bewertung in den beiden Kategorien Trockentoleranz und Winterhärte (Frostempfindlichkeit, Frosthärte, Spätfrostgefährdung) als sehr geeignet eingestuft werden (Roloff et al. 2008).

Birken ertragen eine geringe Wasserversorgung, wenn sie an die trockenen Verhältnisse von Beginn an (am besten seit der Keimung) angepasst sind. Plötzliche Verschlechterungen des Wasserhaushaltes, zum Beispiel durch langandauernde Trockenheit mit der Folge eines stark gesenkten Grundwasserspiegels, verträgt beispielsweise die Sand-Birke extrem schlecht und sie kann sogar absterben (häufiges "Birkensterben" war nach den Trockenjahren 2003 und 2018 mit jeweils langandauernder Absenkung des Grundwassers auffällig).

Birken neigen zum grünen Sommerlaubfall (Roloff 2001). In sehr trockenen Sommern werfen Birken oft als erste einen Teil ihrer Blätter gelb verfärbt vorzeitig ab, um die Verdunstungsfläche zu reduzieren. Eine gute Anpassung an Trockenheit ist besonders dann zu beobachten, wenn sich aus Tausenden Sämlingen jene Sämlinge von Beginn an durchsetzen konnten, die besonders vital und anpassungsfähig sind (Abb. 9 links). Werden dagegen unter günstigsten Wachstumsbedingungen erzogene Baumschulpflanzen entlang von Straßen gepflanzt, so sind bei Birken oft schlechte Anwachserfolge zu beobachten (Abb. 9 rechts)

Sand-Birke (B. pendula), Papier-Birke (B. papyrifera) und Weißrindige Himalaja-Birke (B. utilis subsp. jacquemontii) sind nach den Empfehlungen der Gartenamtsleiter des Deutschen Städtetages für die Verwendbarkeit im Straßenraum nur mit Einschränkung geeignet, weil sie als "nicht stadtklimafest" gelten (Galk 2024). Dies widerspricht jedoch den Aussagen der KlimaArtenMatrix KLAM (Roloff 2013), wonach die Sand-Birke als Stadtbaumart sehr gut bis gut verwendbar ist. Möglicherweise spielen bei der Einschätzung in der "GALK-Liste" auch die oben diskutierten Anwachsschwierigkeiten von Straßenbaumpflanzungen eine Rolle.

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Abb. 11: Ein begrenzter Wurzelteller auf Bankett steigert die Wurfgefahr. Foto: Henrik Weiß
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Abb. 12: Schnittwunde (Übergang Schwach- zu Grobast) circa sechs Monate nach Schnitt in der Mobilisierungsphase (l.), aufgeschnitten mit tiefreichender Holzverfärbung als Zeichen der schlechten Abschottung (r.), B. papyrifera Fotos: A. Schreyer
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Abb. 13: Nasse Schnittfläche Ende März (Mobilisierungsphase) an Papier-Birke. Foto: A. Schreyer

Die Sand-Birke hat ein hohes Immissions-Reduktionsvermögen, nur geringe Nährstoffansprüche, ist frosthart und erträgt sehr saure sowohl sandige als auch lehmige Böden. Problematisch sind dagegen ein hoher Versiegelungsgrad und hohe Boden-pH-Werte. Trotz des zerstreutporigen Holzaufbaus gelten Birken als salz- und immissionstolerant (außer gegenüber Ozon, vgl. Roloff, 2013), weshalb nichts gegen eine Verwendung als Straßenbaum spricht – im Gegenteil, durch ihre weißen Stämme können Birken die verkehrsleitende Funktion sogar besonders gut erfüllen (Abb. 10). Überschüttungen und Veränderungen des Grundwasserstands vertragen Sand-Birken aber nicht.

Die Sand-Birke (B. pendula) bildet bei ungestörter Entwicklung ein typisches Herzwurzelsystem mit anfangs tief reichender Polwurzel und sich später entwickelnden Senkwurzeln beziehungsweise abwärts wachsenden Seitenwurzeln aus (Köstler et al. 1968; Kutschera & Lichtenegger 2002). Gerade den Wurzeln der Sand-Birke wird eine ausgiebige Tiefenerschließung zugeschrieben. Auf tiefgründigen Böden (Lockersedimente, Sand, Halden) verankert das voluminöse Wurzelsystem der Sand-Birke den Baum sehr sturmsicher.

Das der Birke manchmal nachgesagte flache Wurzelsystem entwickelt sich allenfalls auf flachgründigen, verdichteten oder staunassen Böden (Kutschera & Lichtenegger 2002). Wie generell bei urbanen Baumstandorten gültig, entwickelt sich das Wurzelsystem in Städten beziehungsweise an Straßen selten so wie am ungestörten Naturstandort. Auf hoch verdichteten Untergründen gelingt es der Pionierbaumart Birke zwar sich zu etablieren, das Wurzelsystem ist dann aber flach ausgebildet und es besteht mit zunehmender Baumgröße Wurfgefahr. Auch bei beengten Wurzelräumen oder Wurzelschäden durch Bodeneingriffe (z. B. beim regelmäßigen Räumen des Straßengrabens, vgl. Abb. 11 ) kann die Standsicherheit generell gering sein oder allmählich durch Wurzelpathogene abnehmen.

Die Birken reagieren besonders empfindlich auf Verletzungen und gehören zu den besonders schwach abschottenden Bäumen (Dujesiefken & Liese 2022), bei denen zum Beispiel Astungswunden ab einem Durchmesser von etwa 5 Zentimeter bereits zu umfangreichen Verfärbungen mit nachfolgender Fäulnis im Stamm führen können (Abb. 12).

Typischerweise zeigen Birken nach Verletzungen oder Astentnahmen im Spätwinter beziehungsweise kurz vor Beginn der Vegetationsperiode für mehrere Tage bis Wochen einen Saftaustritt aus der Wunde, das sog. "Bluten" (Abb. 13).

Besonderheiten bei Baumkontrolle und Krankheiten

Große Schnittwunden an Birke entwickeln sich meist schnell zu tiefen Morschungen. Bei alten Starkastschnitten ist deshalb zu prüfen, ob sich die Morschung zunächst nur im ehemaligen Astkanal des entfernten Astes entwickelt oder ob bereits das benachbarte Stammholz betroffen und damit die Bruchsicherheit gefährdet ist. Dies kann oft nur mithilfe einer weiterführenden Inaugenscheinnahme geklärt werden.

An Ästen oder am Stamm von Birken treten im urbanen Raum häufiger (krankhafte) Wucherungen von Geweben ("Krebs") mit ungezügeltem Zellwachstum auf: sogenannten (Maser)Knollen (krebsartige Wulst mit vielen schlafenden Knospen/Wasserreisern) oder (Maser)Kröpfe (krebsartige Wulst ohne schlafende Knospen/Wasserreisern) und Hexenbesen (Verbuschung). Bei einer Infektion des Kambiums oder einzelner Knospen im Jugendstadium durch Viren, Bakterien und Pilze können diese Erreger das Bildungsgewebe zu verstärktem Holz- und Rindenwachstum stimulieren (Richter 2019) – es entstehen Knollen oder Kröpfe (Abb. 14 links). Gesunde Maserknollen haben keine Auswirkungen auf die Bruchsicherheit. Stirbt die Rinde an der krebsartigen Wucherung ab, so entwickeln sich jedoch Fäulen, die durch rasches Voranschreiten der Holzzerstörung zur Gefahr werden können und näher untersucht werden sollten. Geachtet werden muss auf eine mögliche Verwechslungsgefahr von Kröpfen/Knollen mit den mehrjährigen, hart-brüchigen, sterilen (imperfekten) Fruchtkörpern des Schiefen Schillerporlings (Inonotus obliquus, Abb. 14 rechts), auch als Chaga in der traditionellen Medizin bekannt). Der Pilz bewirkt eine Weißfäule, die (da oft lange übersehen) zum Baumbruch führen kann. Die resupinaten, einjährigen sporenbildenden Fruchtkörper sind selten und erscheinen erst nach dem Absterben des Wirtsbaumes (Jahn 1963; Miina et al. 2021).

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Abb. 14: Maserknollen (l.) mit einer Vielzahl von schlafenden (teilweise ausgetriebenen) Knospen (Wasserreiser, Reiterate); steriler (imperfekter) Fruchtkörper vom Schiefen Schillerporling (Inonotus obliquus, r.). Fotos: Henrik Weiß
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Abb. 15: Zunderschwammfruchtkörper (Fomes fomentarius) am Bruchaststummel einer mäßig vitalen Birke; solange der Pilz nicht den Stamm erreicht, kann die Birke noch wenige Jahre erhalten werden. Fotos: Henrik Weiß
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Abb. 16: Initiale (oben) und ausgewachsener Fruchtkörper (unten) vom Birkenzungenporling (Fomitopsis betulina). Fotos: Henrik Weiß

Regional werden Birken häufiger durch die Laubholz-Mistel befallen. Misteln gelten als Halbparasiten, da sie selbst Photosynthese betreiben und Assimilate produzieren. Die lebensnotwendige Versorgung mit Wasser und gelösten Nährstoffen der Mistel übernimmt jedoch der Wirtsbaum. Einzelne Misteln in der Krone eines relativ vitalen Baumes bewirken keine größeren Schäden. Ungünstig ist das massenhafte Auftreten auf geschwächten Bäumen, die dadurch zusätzlich unter Trockenstress geraten, das ist bei Birken (im Vergleich zu andern mistelholden Baumarten wie Pappeln, Ahorn, Linde usw.) eher selten zu beobachten. Besonders zwei weitere auffällige Pilzfruchtkörper sind häufig am Stamm von Birken anzutreffen und bei der Baumkontrolle als gefährlich einzustufen: der Braunfäuleerreger Birkenzungenporling (Fomitopsis betulina, vgl. Abb. 16) mit einjährigem, leicht gestieltem Fruchtkörper und der Weißfäuleerreger Zunderschamm (Fomes fomentarius, vgl. Abb. 15), dessen Fruchtkörper in mehreren Jahren viele Röhrentramaschichten bildet. In beiden Fällen ist beim Auftreten der Fruchtkörper am Stamm meist in Kürze mit dem Bruchversagen des (absterbenden) Baumes zu rechnen, so dass in der Regel keine weiteren Untersuchungen sinnvoll sind – die befallenen Bäume müssen an öffentlichen Standorten zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht in den meisten Fällen gefällt werden.

Viele holzzersetzende Pilze mit einem breitem Wirtsspektrum sind auch an Birken anzutreffen. Gefährlich ist der Befall geschwächter Bäume durch Hallimasch (Armillaria sp.) – das führt oft schnell durch Kambiumsterben zum Tod.

An Birken kommt eine Vielzahl Insekten vor, alleine an der Moor-Birke sind nach Schröder & Schumacher (2023) mehr als 200 Insektenarten beschrieben. Bei den blattfressenden Insekten sind nach Müller (2012) im urbanen Umfeld Birkennestspinner (Eriogaster lanestris) und Breitfüßige Birkenblattwespe (Croesus septentrionalis) wegen der "unästhetischen Veränderungen und dem kranken Erscheinungsbild" besonders auffällig. Die Raupen des Blausiebs (Zeuzera pyrina) schädigen durch Plätzefraß im Kambialbereich und einen kreisrunden Gang entlang der Markröhre im Stamm auch Birken. Ein an Birken zunehmendes Krankheitsbild, bei dem im Laufe weniger Jahre mit dem Absterben des betroffenen Baums zu rechnen ist, ist die "Wurzelhalsfäule" durch verschiedene, primär wurzelbürtige Erreger der Gattung Phytophthora (P. plurivora, P. cactorum u. a., vgl. Schröder & Schumacher, 2023).

Totäste ab Schwachastdimension in den Kronen von Birken gelten allgemein als schnell bruchgefährdet und müssen bei der Baumkontrolle erkannt und zeitnah entfernt werden.

Quellen

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