Gärten orientieren sich am ländlichen Umfeld

Zwillingskitas in Edermünde

von:
Im ländlichen Nordhessen liegt der kleine Ort Edermünde. Mit etwa 7300 Einwohnern geht es hier beschaulich zu, aber ein neues Projekt soll den Jüngsten des Ortes künftig zu mehr Spaß im Alltag verhelfen: Zwei neue Kitas wurden errichtet, die "Rote Besse" und die "Grüne Grifte". Das Büro studio polymorph Landschaftsarchitekten aus Berlin hat die Außenanlagen geplant.
Spielplätze Außenanlagen
Abb. 1: Überschattetes Holzdeck. Foto: Christo Libuda, Lichtschwärmer

Entstanden sind Zwillingsgärten, räumlich ähnlich organisiert und an der agrarischen Struktur der Landschaft orientiert – ländliche Kitagärten mit farbiger Identität. Ihre Ähnlichkeit und ihre zueinander komplementären Farben kennzeichnen die Kitas. Die Farben geben Identität, wobei das Gebäude – entworfen von Löser Lott Architekten aus Berlin – jeweils einen Kontrapunkt setzt. Beide Kitas bieten viel Wiesenfläche mit einem multifunktionalen Spielband, das als räumlich-soziales Herz der Einrichtungen dient. Die Möbelensembles aus Holz zitieren archetypische Einfamilienhäuser und stellen informelle Spielanreize dar.

Die Gemeinde Edermünde lobte im Jahr 2018 einen Wettbewerb aus, um den Neubau der beiden Kitas mitsamt ihrer Freianlagen in den Ortsteilen Grifte und Besse zu realisieren. Dafür war es wichtig, dass beide Kindergärten ein identisches Raumprogramm als siebengruppige Tageseinrichtungen erhielten. Die U3- und Ü3-Gruppen sollten altersübergreifend miteinander interagieren können. Löser Lott Architekten planten in ihrem siegreichen Entwurf für die beiden Standorte zwei nahezu baugleiche, zweigeschossige Gebäude, die sich jeweils entlang der (nord-)östlichen Grundstücksgrenze befinden. Das Büro Stefan Bernard Landschaftsarchitekten, inzwischen studio polymorph, hat die Freianlagen entworfen, die konzeptionell direkt mit der Gestaltung der Neubauten verknüpft sind. Der Bau begann im Jahr 2020 und wurde 2023 abgeschlossen.

Agata Waszczuk, geschäftsführende Partnerin bei studio polymorph und Leiterin des Kitaprojektes, betont, wie entscheidend die enge Zusammenarbeit mit den Architekten bereits in der Anfangsphase der Wettbewerbsbearbeitung ist: "Das ist mir immer wichtig und hat dieses Mal besonders gut geklappt: Bereits die städtebauliche Setzung haben wir mit Löser Lott diskutiert und konnten unter anderem darauf hinwirken, dass ein großer zusammenhängender Garten entsteht. Auch das Konzept der Feld- und Streifenstrukturen haben wir gemeinsam entwickelt. Eine Gesamtidee, welche die Architektur mit den Freianlagen und der Umgebung verzahnt."

Das Preisgericht merkte dies ebenfalls und betonte in seiner Beurteilung, dass die "Verfasser:innen das pädagogische Projekt sowohl städtebaulich, architektonisch, freiraumplanerisch als auch funktional bis ins Detail sehr liebevoll, kindgerecht und mit viel Sachverstand umgesetzt haben."

SUG-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Leitung Tiefbau- und Grünamt, Friedrichshafen  ansehen
Abteilungsleiter*in Friedhöfe, Kiel  ansehen
eine Leitung (w/m/d) für das Referat G2 , München  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen
Spielplätze Außenanlagen
Abb. 2: Viele kreative Spielmöglichkeiten. Foto: Christo Libuda, Lichtschwärmer
Spielplätze Außenanlagen
Abb. 3: Übersicht des Freiraums an der Kita "Rote Besse". Foto: Christo Libuda, Lichtschwärmer
Spielplätze Außenanlagen
Abb. 4: Spielwände aus Holz an der Kita Besse. Foto: Christo Libuda, Lichtschwärmer

Naschhecken, Spielwände aus Holz und vor allem viel Platz

Der Entwurf für die Freianlagen der Zwillingskitas basiert auf dem Wettbewerbskonzept, das von den ortsprägenden Strukturen der umliegenden Äcker inspiriert ist. Die Landschaftsarchitekten von studio polymorph haben die streifenförmige Grundstruktur der umgebenden Neubauten aufgegriffen und auf die Gliederung des Außenraums übertragen. So verwebt sich der Freiraum mit der Architektur und ihrem Umfeld. Beide Kitastandorte sind ähnlich gestaltet, machen aber auch Zugeständnisse an die jeweiligen Gegebenheiten wie Grundstückszuschnitt, Vegetationsbestand und angrenzende Strukturen.

Die Lage der Kitagebäude jeweils am Rand der Grundstücke bietet nicht nur Schallschutz, sondern auch einen einzigen großen Garten. "Hier haben wir uns vom typischen Einfamilienhaus im ländlichen Raum inspirieren lassen. Wir wollten nicht so viele kleine Restflächen um das Gebäude herum haben, sondern einen großen, grünen Garten mit Terrassen und viel freier Fläche zum Toben und Ball spielen", so Agata Waszczuk. Dabei kam die bereits vorhandene Topographie der Hügel an der Kita in Grifte zum Einsatz. "Wir haben versucht, beide Kitagärten und auch deren Ausstattungen und Topographien möglichst ähnlich zu gestalten, sodass man die Prinzipien wiedererkennt. Jede Kita sollte ihre eigene Identität haben. Hierfür haben wir mit Rot-Grün-Kontrasten gespielt. Auf diese Weise kommunizieren sie auch miteinander."

Rund um die Neubauten der eigentlichen Kitagebäude verläuft jeweils eine umlaufende Terrasse aus hochwertigen Betonplatten in den Maßen 40 x 40 Zentimeter, verlegt im Kreuzfugenverband. An einer Stelle wird die Terrasse von einem anderen Bodenbelag unterbrochen, um den Weg von der Straße zum Haupteingang wie einen ausgerollten Teppich zu gestalten. Es gibt Sitzbänke zum Verweilen, die als Wartebereich und Treffpunkt für Eltern dienen.

Beide Kitagärten sind von einer zwei Meter hohen transparenten Zaunanlage umgeben, die unter anderem als Rehschutz dient. Die südliche Abgrenzung der Kita zum öffentlichen Bereich ist zusätzlich mit einer Hainbuchenhecke sichtgeschützt. Es gibt mehrere Tore, die bei Bedarf den direkten Zugang zum Garten erlauben. Der Hauptzugang ist vom Gebäude aus.

Die einzelnen Felder, die die Kitagärten ausmachen, sind unterschiedlich belegt. In beiden Kitas, sowohl in der Roten Besse als auch in der Grünen Grifte, ist jeweils ein Feld als freie Spiel- und Liegewiese mit strapazierfähigem Gebrauchsrasen gedacht. Dieser Bereich wird durch regelmäßige Mahd und Bewässerung intensiver gepflegt, um Ballspiele, Feste und Bewegungen wie Krabbeln und Toben zu ermöglichen.

Im Norden der Kitagärten gibt es eine sogenannte Naschhecke, die zugleich eine visuelle Grenze darstellt. Dieser lange Pflanzstreifen besteht aus verschiedenen Beerensträuchern wie Johannisbeeren, Stachelbeeren und Blaubeeren. Drei Hochbeete in unterschiedlichen Höhen sind vorgelagert, die zum Beispiel das Anlegen von Kräuterbeeten sowie das Anpflanzen von Gemüse ermöglichen und dabei die Eigeninitiative der Kita fördern.

Im Süden der Rasenfläche befindet sich jeweils eine große, lange Terrasse, die ein zentrales, prägnantes Gestaltungselement darstellt. Sie hat einen integrierten Sandspielbereich, Sitz- und Hüpfelemente sowie altersgerechte Spiel- und Lernangebote. Holzwände helfen dabei, den Bereich zusätzlich zu gliedern. Sie integrieren zusätzliche Spielanreize wie Kreidetafeln.

Spielplätze Außenanlagen
Abb. 5: Details der Spielelemente mit roten Details. Foto: Christo Libuda, Lichtschwärmer
Spielplätze Außenanlagen
Abb. 6: Kinder im Sommer 2024 in der Kita Besse Foto: Christo Libuda, Lichtschwärmer

"Die Spielwände aus Holz sind mein Lieblingsaspekt an diesem Projekt", erklärt Frau Waszczuk. "Sie sind von uns speziell für dieses Projekt entworfen und sollen Rollenspiele wie Verkaufsladen oder Schule bei den Kindern anregen. Außerdem unterstützen Holzelemente im Garten grundsätzlich eine warme, gemütliche Atmosphäre im Außenraum. Und unsere Wände zeigen, wie einfach man kreatives Spiel fördern kann."

Südlich an das Holzdeck schließt sich eine baumbestandene Wiesenfläche mit einem abgegrenzten Bereich für 0–2-Jährige an. Dieser ist mit einem niedrigen koppelähnlichen Zaun zur Kitagartenfläche eingefasst. Er dient als informelle Sitzgelegenheit, Laufhilfe oder auch als Balancierelement. Zudem gibt es einen Sandspielkasten und ein Krabbelpodest.

Individuell nutzbare Spielräume

Beide Kitagrundstücke sind jeweils zu drei Seiten von einem grünen Puffer begrenzt. Die Kita Grifte hatte bereits einen bepflanzten Wall mit groß gewachsenen Bäumen. In Besse haben die Landschaftsarchitekten analog dazu einen niedrigen Hügel im südöstlichen Bereich angelegt, der in eine Böschung zur Überbrückung des Höhensprungs zu den angrenzenden Grundstücken im Nordosten und -westen übergeht. Dem Hügel vorgelagert ist ein als Blumenwiese konzipierter Saum, der nur zwei Mal pro Jahr gemäht wird, um Blumen und Insekten Raum zu geben.

Spielplätze Außenanlagen
Abb. 7: Kita Grifte mit grünen Elementen. Foto: Christo Libuda, Lichtschwärmer
Spielplätze Außenanlagen
Abb. 8: Raum zum Toben und Spielen. Foto: Christo Libuda, Lichtschwärmer

Jennifer Kalden, Leiterin der Kita Grifte, berichtet: "Hier haben unsere Kinder um einiges mehr Platz als früher. Sie lieben es, die Hügel zu bespielen, suchen nach Regenwürmern, graben kleine Höhlen und haben hier die Möglichkeit, sich selbstständig und ein bisschen unbeobachteter zu fühlen. Für uns ist es wichtig, dass die Kinder ihren Spielraum je nach ihren Bedürfnissen nutzen können und nicht alles mit vorgefertigten Spielgeräten verbaut ist. So ist er wesentlich individueller nutzbar."

Auch die öffentlichen Vorbereiche der beiden Kitas sind ähnlich aufgebaut, mussten aber unterschiedliche Vorgaben berücksichtigen. In Grifte ist auf dem Weg zum Haupteingang ein kleiner öffentlich zugänglicher Spielbereich entstanden. Er ist mit einer wassergebundenen Decke befestigt und wird von neu gepflanzten Bäumen beschattet. Zu den Spielgeräten gehören ein Kleinkindparcours zum Klettern, Balancieren, Durchsteigen und Rollenspielen sowie drei Reifenwippen auf drehbaren Spiralfedern. Zudem wird die Tischtennisplatte aus dem Bestand des Grundstücks wiederverwendet.

Östlich des Spielplatzes befindet sich eine große Potentialfläche, die zu einer freien Rasenfläche wird. Darüber hinaus sind 24 Pkw-Stellplätze, einer davon barrierefrei, vorhanden.

In Besse sind hingegen nur neun Pkw-Stellplätze vorgesehen, von denen einer barrierefrei ist. Der anliegende Straßenbereich mit Gehweg liegt bisher nur als B-Planung vor und wird später realisiert. Im Norden der Parkplätze gibt es eine baumbestandene Rasenfläche. Als Zitat zum Standort Grifte, wo eine Doppelschaukel im Bestand vorhanden war, ist eine Schaukel in der Nähe zum Haupteingang positioniert. Außerdem wurde parallel auf dem Nachbargrundstück ein Mehrgenerationenspielplatz mit vielen Spiel- und Sportangeboten gebaut, welcher in der Planung mit berücksichtigt wurde. Eine kleine Zuwegung bindet das öffentliche WC im Kita-Neubau an den Spielplatz an.

Beide Standorte erhalten ein Müllhaus und ein Gerätehaus, jeweils mit pulverbeschichtetem Stahl oder alternativ mit Holz verkleidet. Die Neubauten sind mit Stahlfassaden verkleidet. Das eine Gebäude ist in Oxidrot gehalten, während das andere Mattgrün wird, in Anlehnung an die Farbigkeit von Metallgrundierungen. Die Idee ist, dass einzelne Ausstattungselemente wie Fahrradbügel sowie Beläge wie Asphalt und Natursteine die jeweils negative Farbe aufgreifen könnten.

Spielplätze Außenanlagen
Abb. 9: Streifenförmige Gestaltung. Foto: Christo Libuda, Lichtschwärmer
Spielplätze Außenanlagen
Abb. 10: Hügel für unbeobachtetere Spiele. Foto: Christo Libuda, Lichtschwärmer

Eine harmonische und zugleich funktionale Umgebung

Die Zwillingskitas in Edermünde sind ein gutes Beispiel für die Integration von ländlichen und landschaftlichen Elementen in die Architektur moderner Bildungsstätten. Die Verknüpfung der Außen- und Innenräume sowie die abgestimmten Spiel- und Lernbereiche sollen sowohl die physische als auch die soziale und emotionale Entwicklung der Kinder fördern.

"Wenn ich die Kinder im Außenbereich beobachte, sehe ich, wie sie an den Hügeln spielen, nach Käfern suchen, sich an den Naschhecken mal eine kleine Erdbeere stibitzen und so für sich passende Spiel- und Lernbereiche entdecken. Unsere Kinder entwickeln ihr Spiel aus sich heraus. Das ist wichtig für ihre weitere Entwicklung und wirkt nachhaltig. Sie entdecken ihre Umwelt, die Welt, in der sie leben", so Frau Kalden.

Seit dem Sommer 2024 stehen die Gärten der Zwillingskitas erstmals in voller Blüte. Die Landschaftsarchitekten haben den Vegetationsbestand weitestgehend erhalten. Als Ersatz für Fällungen kamen neue, heimische und standortgerechte Bäume zum Einsatz. Blühende und ungiftige Strauch- und Bodendeckerpflanzungen ergänzen die Hügel und Böschungen. Durch robuste, pflegeleichte Arten können zukünftige Unterhaltungskosten minimiert werden.

Der Erfolg des Projektes liegt in der detaillierten Planung und dem engen Zusammenwirken aller Beteiligten. So ist eine harmonische und funktionale Umgebung entstanden, die versucht, den besonderen Bedürfnissen der Kinder und der Gemeinde gerecht zu werden.

 Laura Puttkamer
Autorin

Freie Autorin und Journalistin

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle grüne Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen