Gelnhausen, Bad Orb, Wächtersbach und Bad Soden-Salmünster
Landschaftsgestaltung in Wiesentälern
von: Dirk SäuffererVereinfacht kann die Kunstform des Wiesentals so beschrieben werden: Es handelt sich um eine langgezogene Grünfläche, meistens durch Modellierungsmaßnahmen eingewölbt ("das Bild"). Umgeben wird es von kunstvoll-natürlich wirkenden Baumpflanzungen, gelegentlich wird es durch Staffagen ergänzt ("die Rahmung"). Moderne Stadtplaner erkennen häufig nicht das Bild und stellen das Wiesental als Gesamtkunstwerk zur Disposition. Das Wesen eines Wiesentals ist, dass es weder möbliert, bepflanzt oder auf sonstige Art zerstört oder beeinträchtigt werden darf.
Ein Wiesental mit empfindsamer Blickachse in Gelnhausen
Die Empfindsamkeit ist seit dem 18. Jahrhundert eine der wesentlichen Triebfedern für die Kunst der Landschaftsgestaltung. In Gelnhausen wurde im 19. Jahrhundert diese empfindsame Blickachse am Kinzigufer geschaffen. Längst ins Stadtbild integriert, handelt es sich heute um ein wohl weithin verkanntes Landschaftsdenkmal.
Zur Historie
Nach der preußischen Annexion 1866 wurde das Kinzigtal trockengelegt und die Kinzig – bis heute mit begrenztem Erfolg – in ihr heutiges Bett gezwungen. In Gelnhausen wurde das Schifftor vom Wasser abgeschnitten, der jüdische Friedhof aus seiner Insellage befreit und dieses Gelände aufgeschüttet. Das Kinzigufer wurde daraufhin als Wiesental mit empfindsamer Blickachse angelegt. Was sollte man hier empfinden? Die Reichsgründung von 1871 und der historistische Pomp des neuen Kaiserreichs waren wohl ein willkommener Anlass für diese Gestaltung in der alten Reichsstadt Gelnhausen. Außerdem schließt sich das Wiesental unmittelbar an den jüdischen Friedhof an. Schon allein deshalb darf das Gelände des Parkplatzes nicht isoliert betrachtet werden.
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Zum Aufbau des Wiesentals
Es befindet sich am nördlichen Kinzigufer entlang der Straße Uferweg. Im 20. Jahrhundert wurde es durch die Anlage des Parkplatzes und der Fußgängerbrücke "Rasensteg" beeinträchtigt. Hier hat man von erhöhter Warte aber auch einen umso besseren Überblick. Die Bezeichnung des Parkplatzes "An der Bleiche" verweist auf frühere Nutzungen dieses Landschaftsdenkmals. Das Areal des Parkplatzes wurde jüngst einem innerstädtischen Sanierungsgebiet zugeschlagen, nachdem hier bereits seit längerem Pläne für die Errichtung eines Parkdecks existieren.
Die nördliche Begrenzung ist die Böschung der Straße Uferweg. Die südliche Begrenzung ist das rechte Kinzigufer. Die westliche, empfindsame Begrenzung sind zwei Pappeln, auf die die Blickachse zuläuft. Sie befinden sich vor der Freigerichter Straße (Westspange). Die Auwiese weist mehrere für den Landschaftsgartenbau des 19. Jahrhunderts typische Merkmale auf. Sie bildet ein Wiesental in einer Allee. Es handelt sich um eine eingewölbte Rasenschüssel. Die tiefste Stelle der Wiese liegt also nicht am Kinzigufer, sondern in der Mitte der Wiese. Dort verläuft ein leicht gewundener Trampelpfad. Bei den regelmäßig wiederkehrenden Kinzig-Hochwassern kann man beobachten, wie diese tiefste Stelle hauptsächlich überschwemmt wird.
Zur Uferböschung der Kinzig hin steigt die Rasenschüssel an. Die (mutmaßlich weitgehend) natürliche Uferbepflanzung der Kinzig bildet einen einer englischen Allee ähnlichen, rahmenden Abschluss des Landschaftsdenkmals.
Zur Straßenböschung hin steigt die Rasenschüssel ebenfalls an. In den Fuß der Uferböschung hinein ist eine aufgelockerte Baum- und Buschreihe hineingepflanzt, auch das einer von Menschenhand geschaffenen englischen Allee gleich. Von Bedeutung erscheint hier, dass diese Baum- und Buschreihe nicht, wie es bei flüchtiger Betrachtung erscheinen könnte, auf der Straßenböschung aufsitzt, um die Straße Uferweg zu säumen. Vielmehr gilt diese Bepflanzung der Auwiese und spiegelt, gleichfalls rahmend, die Uferbepflanzung.
Die empfindsame Blickachse läuft auf die beiden Pappeln zu. Beide dürften ungefähr das Alter der Pappeln im Grüneburgpark (Frankfurt am Main) haben, also aus den 1870er Jahren stammen. Beide Pappeln, vor allem die rechte, nördliche, waren wiederholt Gegenstand von Erhaltungsmaßnahmen und mussten an der Krone stark beschnitten werden.
Das Wiesental im Kurpark Bad Orb
Das Wiesental im Kurpark Bad Orb kann in seiner Unscheinbarkeit unterschätzt werden. Auch dieses ist als Rasenschüssel eingewölbt. Beidseitig gesäumt wird es von Einzelbäumen und Clumps. Am oberen Ende verengt es sich und wird von einer hainartigen Baumgruppe begrenzt. Diese schirmt es auch vom Schwanenweiher mit seiner feierlichen Szenerie ab. Dieser besticht durch seine dreistrahlige Insel. Sie hatte ursprünglich eine Entsprechung im großen Weiher des Schlossparks Ramholz und folgt einer Formensprache des Jugendstils.
Beim Wiesental in Bad Orb selbst ist aber bemerkenswert, dass es faktisch von der Allee am Hauptweg abgeschirmt wird. Das entspricht dem Konstruktionsprinzip des Wiesentals im Schlosspark Biebrich, also Sckells berühmtes Spätwerk um 1820.
Ruhe- und Spielplätze wurden am Rand des Wiesentals mit denkmalpflegerischem Sachverstand eingefügt, so dass sie das Erscheinungsbild des Wiesentals nicht stören, sondern als Staffage ergänzen.
Das Wiesental im Schlosspark Wächtersbach
Das Wiesental entstammt sehr wahrscheinlich der Anlage des Parks um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Deutlich erkennbar ist die eingewölbte Rasenschüssel. Der geschwungene Bachlauf quert das Wiesental, ein zweiter Bachlauf säumt es am linken Bildrand. Es kann auf klassische Vorbilder zurückgeführt werden, verfügt aber auch über eine deutliche romantische Ausprägung.
Die erhöht gepflanzte Laubbaumgruppe rechts, einer englischen Allee gleich, kontrastiert auf engstem Raum mit der Nadelbaumgruppe im Vordergrund. Dadurch entsteht auf engstem Raum ein Spannungsverhältnis in Form eines Hell-Dunkel-Kontrasts.
Die immergrüne Rhododendrongruppe von circa 1920 schirmt sie vom Pleasureground des Schlossparks ab und lässt, je nach Blickwinkel, gleichzeitig das Schloss ganzjährig erahnen. Am Standort des Fotografen ist auch das akustische Konzept gut erlebbar: Das Plätschern des Bachs und des Wasserfalls am rückwärtigen Forellenweiher (dieser ersetzte in den 1950er Jahren das Mühlrad der Untermühle) bilden ein sanft ausgewogenes Stereo.
Die Querachse des Schlossparks Wächtersbach – eine Anlage mit Vorbild?
Die namenlose Querachse ("Waldachse", "Rhododendronschneise") liegt am Steilhang. Sie wurde ebenfalls nach dem Ersten Weltkrieg mit Rhododendren bepflanzt, die die Blickachse insoweit zieren, aber nicht stören. Sie ist ebenfalls in die Umgebung eingewölbt. Deutlich sichtbar ist die Eintiefung am oberen Ende, wo sie zum querenden Waldweg hin am ehemaligen Picknickplatz in einer Verbreiterung ausläuft. An der Verbreiterung finden sich beidseits hügelartige Erdaufschüttungen. Weitere querende Wege führen dazu, dass Spaziergänger als Schmuck im Park wirken.
Der historische Ursprung der "Rhododendronschneise" liegt ebenfalls im Dunkeln. Allem Anschein nach handelt es sich aber um den ältesten Teil des Landschaftsparks. Auffällig sind die Ähnlichkeiten der Anlage mit der Herrenwiese im Staatspark Fürstenlager/Bensheim-Auerbach. Diese wurde vor 1800 geschaffen. Vermuten könnte man also, dass die "Rhododendronschneise" aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammt und nach 1840 in den heutigen Landschaftspark integriert wurde. Faktisch lässt sie heute die Grenzen zwischen Pleasureground und eigentlichem Landschaftspark verschwimmen.
Alternativ wurde eine mögliche Parallele zum Pücklerschlag am Ettersberg bei Weimar gezogen. Der Pücklerschlag stammt von 1845, ist also jünger als der Bodenbenderplan von 1840, der der Gestaltung des heutigen Schlossparks zugrundeliegt. Bodenbender jedenfalls schlug in seinem Plan von 1840 vor, die damals offensichtlich bereits existierende Schneise mit ausgefransten Waldrändern auszustatten, das wurde aber nicht umgesetzt.
Die Waldränder am Steilhang verlaufen bis heute in gerader Linie. Unabhängig von den zeitlichen Abläufen ist der "Pücklerschlag-Theorie" zuzugestehen, dass hier wie in Weimar anscheinend in Eichen-Bestände eingegriffen wurde.
Das Wiesental im Kurpark Bad Soden-Salmünster
Der Kurpark Bad Soden (neuer Kurpark aus den 1950er Jahren) wird von großen Wiesenflächen geprägt, die von Einzelbäumen, Clumps und hainartigen Pflanzungen gegliedert werden. Auch eine englische Allee ist im Ansatz erkennbar. Im Zentrum des Parks befindet sich eine Konzertbühne und ein Spielbereich, dieser ist auf dem Foto in der Ferne erkennbar. In den Park hinein führt diese Blickachse, die als Wiesental interpretiert werden kann. Sie ist beidseits von dichten Baumreihen gesäumt. Rechterhand führt dort ein schattiger Weg in den Park hinein.
Das Wiesental wird erkennbar durch Einzelbäume gesäumt und gestaltet,
diese schirmen den Spielbereich aber auch weitgehend von der Blickachse ab. Vor diesem Hintergrund erscheinen die jüngst mitten in der Blickachse ergänzten Hängematten eher wie ein Fremdkörper im
Parkkonzept.
Auch aus nicht-gartendenkmalpflegerischen Gründen erscheint die Anbringung dieser Hängematten in einem Kurpark kritikwürdig: Sonnenbaden ist schließlich keine gesundheitsfördernde Tätigkeit. Jüngst wurde noch ein Insektenhotel in der Blickachse ergänzt.
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