Vertikale Grünflächen – ein internationals Forschungsprojekt
Dichte und grüne Städte: One central Park in Sydney, Australien
von: Prof. Dr. Thomas SchröpferDense+Green Cities am Singapore-ETH Centre Future Cities Laboratory (FCL) untersucht die Interaktion von Gebäude und Stadt als ökologisches System mittels Forschung zu Konzepten, Planung, Entwurf, Technologie und Erfahrung. Diese Dimensionen des Bauens werden anhand von Fallstudien systematisch analysiert, um daraus Erkenntnisse für gesunde und nachhaltige Städte der Zukunft zu entwickeln. Der folgende Artikel liefert einen kurzen Überblick zu unserer Arbeit am FCL und präsentiert Auszüge aus einer unserer Fallstudien, One Central Park in Sydney, Australien.
Dichte und grüne Städte
Weltweit leben immer mehr Menschen in Städten. Während es heute bereits 55 Prozent der Weltbevölkerung sind, werden es im Jahr 2050 voraussichtlich 68 Prozent sein. Besonders stark nimmt die Urbanisierung in Asien und Afrika zu. Weltweit wird die Zahl der Bevölkerung in Städten den Projektionen zufolge bis zum Jahr 2050 um 2,5 Milliarden Menschen zunehmen. In Deutschland leben schon heute drei von vier Bewohnern (77 %) in Städten, im Jahr 2050 werden es voraussichtlich 84,3 Prozent sein.¹
In vielen Forschungsprojekten, die sich derzeit weltweit mit der zunehmenden Urbanisierung beschäftigen, liegt der Schwerpunkt auf Themen urbaner Dichte. Urbane Dichte oder Verdichtung im städtischen Raum ist zweifelsohne eines der wichtigsten aktuellen Themen in Bezug auf zukünftige Städte. Wenn Flächenverbrauch im großen Stil vermieden werden soll, ist eine bessere Ausnutzung der Bestandsflächen unumgänglich. Angesichts der Flächenknappheit und des Zuzugsdrucks in großen Städten stehen derzeit eine Reihe von städtebaulichen und architektonischen Maximen zur Diskussion. Die andauernde weltweite COVID-19-Pandemie hat dabei das Thema der gesunden und widerstandsfähigen Stadt und ihrer Gebäude weiter in den Mittelpunkt gerückt.²
In diesem Zusammenhang bietet eine zunehmende Anzahl innovativer städtebaulicher Projekte insbesondere in Asien die Möglichkeit, die Bedeutung und Anordnung von Grünräumen in dichten Städten zu überdenken und neu zu definieren: Grünräume in der Stadt als etwas, das sich in der Höhe fortsetzt und, wie viele Städte auch, in der Vertikalen entwickeln und so wesentlich zur Gesundheit, Nachhaltigkeit, Widerstandsfähigkeit und Lebenswertigkeit unserer urbanen Umwelt beitragen kann.³ Die Kombination von baulicher Dichte und Grünräumen in Städten ist das Thema eines mehrjährigen Forschungsprojekts, welches seit 2015 am Future Cities Laboratory (FCL) des Singapore-ETH Centre in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich und der Singapore University of Technology and Design (SUTD) durchgeführt wird. Ein interessantes und von uns untersuchtes Beispiel für die Kombination von Dichte und Grünräumen in der Stadt ist One Central Park in Sydney, Australien.
SUG-Stellenmarkt
Chippendale und Central Park
Chippendale, der Standort von One Central Park, ist ein zentraler Stadtteil von Sydney, gelegen zwischen dem Campus der University of Sydney und dem Hauptbahnhof der australischen Metropole. Der Bezirk zeichnet sich durch eine Mischung aus kleinen Büro-, Einzelhandels- und Wohngebäuden aus, ist aber auch der Standort einiger alter Industrieanlagen, deren Nutzung im Rahmen der Stadterneuerung von Sydney während der letzten Jahre erneuert wurde. Central Park auf dem ehemaligen Gelände der Carlton United Brauerei ist ein Beispiel für eine solche neue Nutzung.
Das städtebauliche Projekt basiert ursprünglich auf einem Masterplan von Tzannes Associates und Cox Richardson, welche später von Foster + Partners modifiziert wurde. Central Park beinhaltet rund 255.000 Quadratmeter an Wohn- und Gewerbeflächen, die auf einer Grundfläche von insgesamt etwa 5,8 Hektar verteilt sind.4 Das lebhafte Viertel um Central Park wird jährlich von mehr als 200 Millionen Menschen frequentiert. Mit 120.000 dort lebenden Studenten ist es eines der am dichtesten besiedelten Universitätszentren in Australien.5
Mit seiner weitgehend vertikalen Bebauung führt Central Park einen neuen Gebäudetyp mit gemischter Nutzung in das bestehende urbane Gefüge von Chippendale ein. Mit seiner relativ hohen baulichen Dichte unterscheidet sich dieser Gebäudetyp deutlich von denen der umliegenden Bebauung. Central Park umfasst neben One Central Park, entwickelt von Property Australia und Zusammenarbeit mit Sekisui House Australia, auch mehrere andere international ausgezeichnete Projekte wie The Mark, Park Lane und Connor.
Central Parks Masterplan insgesamt zeichnet sich durch eine umfassende Integration von Gebäuden und Grünräumen aus. Diese spiegelt das Ziel Sydneys wider, in Zukunft eine gesündere, nachhaltigere, widerstandsfähigere und lebenswertere Stadt zu sein. Gute Beispiele für die gestalterische Umsetzung dafür sind unter anderem die großflächig begrünten Fassaden und Dachgärten von One Central Park, welche die Grünräume des umgebenden Stadtraums in der Vertikalen fortsetzen, sowie die Platzierung und Ausrichtung der Durchgangsblöcke des Projekts, welche die öffentlichen Grünräume auf der Grundebene miteinander verbinden.6
Bauliche Dichte und Grünflächen
Central Park umfasst Chippendale Green, einen öffentlichen Park, der mit einer Fläche von rund 0,64 Hektar wesentlich zur Begrünung des Stadtraums beiträgt. Diese wird ergänzt durch die kleineren Grünräume von Universitäts-, Büro- und Wohngebäuden sowie Sportanlagen, welche jedoch häufig nicht miteinander verbunden sind und daher kein kontinuierliches grünes Netzwerk bilden. Zwei weitere öffentliche Grünanlagen im weiteren städtischen Umfeld von Central Park sind der Victoria und der Prince Alfred Park. Diese sind jedoch durch einen Eisenbahnkorridor und eine Reihe stark befahrener Straßen von Chippendale räumlich getrennt. Die Analyse der städtischen Dichte eines 200 Hektar großen Bereichs (10 Gehminuten) um One Central Park dokumentiert die Flächennutzung, siehe Abb. 9.
Chippendale ist dicht bebaut. Neben den Gebäuden nehmen der Eisenbahnkorridor, Straßen, öffentliche Parks und Plätze sowie öffentliche und halböffentliche Grünräume die Flächen ein. Das Verhältnis von bebauter zu unbebauter Fläche in Chippendale spiegelt weitgehend die feine Körnung der älteren Stadtteile von Central Sydney wider, die sich durch große Grund- und einen Mangel an Freiflächen zwischen den Gebäuden auszeichnen. Die Bereitstellung von Grünräumen und -flächen in der Vertikalen in Projekten wie One Central Park stellt daher eine wichtige Ergänzung zu denen auf der Grundebene dar. Insgesamt beläuft sich der Anteil der Grünflächen in dem 200 Hektar-großen Umfeld von One Central Park in der Vertikalen auf etwa 2,5 Prozent der gesamten Grünflächen. Der umgebende urbane Kontext in einem Umkreis von 800 Metern (10 Gehminuten) um One Central Park verfügt über insgesamt vier öffentliche Parks. Der Anteil der Grünflächen von One Central Park an der gesamten Grünfläche von Chippendale Green innerhalb dieses Umkreises beträgt 33 Prozent.
One Central Park - Architektur
One Central Park umfasst neben begrünten Fassaden Grünräume auf mehreren Ebenen. Zu den baulichen Komponenten gehören die großen Pflanzkästen der Fassaden, wandgebundene Grünsysteme sowie Dachgärten auf dem gewerblich genutzten Podium, dem Apartmentgebäude und dem Wohnturm. Das Projekt setzt so den Grünraum des angrenzenden Chippendale Green in der Vertikalen fort.
Auf einer Grundfläche von 7550 Quadratmetern beinhaltet das Projekt eine Bruttogeschossfläche von rund 68.000 Quadratmetern. Davon entfallen rund 52.000 Quadratmeter auf Wohn- und 16.000 Quadratmeter auf Gewerbenutzungen. Das bauliche Volumen von One Central Park setzt sich aus einem gewerblich genutzten Podium, einem 12-stöckigen Apartmentgebäude mit Service und einem 34-stöckigen Wohnturm zusammen. Ein großer Heliostat zwischen dem Apartmentgebäude und dem Wohnturm lenkt das Tageslicht in Bereiche auf den unteren Ebenen des Projekts, die ansonsten den größten Teil des Tages im Schatten lägen.
Die Dachgärten des Projekts beinhalten Sitzbereiche und bieten einen ausgezeichneten Ausblick auf die umgebende Stadt. Das Apartmentgebäude und der Wohnturm von One Central Park verfügen über eine kompakte vertikale Erschließung, die den Zugang zu den Wohneinheiten ermöglicht. Die Wohngeschosse setzen sich aus einer Kombination von 14 bis 20 Wohnungen unterschiedlicher Größe und Konfiguration zusammen. Alle Wohnungen haben einen direkten Zugang zu begrünten Bereichen und verfügen über mindestens einen mit großen Pflanzkästen ausgestatteten Außenbereich, der zur Begrünung des Gebäudes beiträgt.
Fassadenbegrünung und Grünräume
Die Fassadenbegrünung von One Central Park besteht im Wesentlichen aus heimischen Sträuchern und Kletterpflanzen, die auf den Geschossebenen in Pflanzkästen und entlang verrikaler Edelstahldrähte wachsen. Die Begrünung bietet einen Sonnenschutz für die dahinter liegenden Gebäudefassaden. Pro Wohneinheit bietet One Central Park rund 4,6 Quadratmeter an öffentlich und gemeinschaftlich genutzten Flächen und 10 Quadratmeter an Grünflächen.
Dieser vergleichsweise hohe Anteil an der Gesamtfläche verdeutlichtet das Ziel des Projekts, begrünte öffentliche und gemeinschaftlich genutzte Räume in hohem Maße auch in der Vertikalen bereitzustellen und so einen neuen, gemischt genutzten "grünen" Gebäudetyp in Chippendale zu etablieren. Seit seiner Fertigstellung im Jahr 2014 hat One Central Park zahlreiche internationale Auszeichnungen erhalten. In den Begründungen der Preisrichter wurden dabei oftmals die hohe städtebauliche Qualität sowie die großzügige Bereitstellung von öffentlichen und gemeinschaftlich genutzten Grünräumen hervorgehoben.
Biodiversität
Während unserer Untersuchung des Projekts war die Anzahl der beobachteten Vögel in One Central Park gering. Zwei Vogelarten wurden gesichtet (zum Vergleich: an Gebäuden der nahegelegenen University of Sydney wurden keine Vogelarten beobachtet). Die große Mehrzahl der Vögel im städtischen Umfeld von One Central Park sind urbane synanthropische Arten, von denen bekannt ist, dass sie sich an (nicht grüne) städtische Lebensräume anpassen können. Zu diesen Arten gehören die eingeführte Gefleckte Taube, die gemeine Myna, die gemeine Taube und die Silbermöwe. Synanthropische einheimische Vogelarten, die während des Forschungszeitraums von uns beobachtet wurden, waren der australische Weiße Ibis und die Fee Martin, die in einem benachbarten Gebäude nisteten. Die einzige nicht-synanthropische Vogelart war der Noisy Miner, der in den Bäumen im nahegelegenen Chippendale Green nistete.
Oberflächentemperaturen
Die gemessenen Oberflächentemperaturen exponierter begrünter Fassaden des Projekts lagen im Untersuchungszeitraum durchschnittlich 2,6 Grad Celsius unter denen exponierter nichtbegrünter Fassaden. Der Unterschied war relativ gering, da bei den nichtbegrünten Fassaden hochreflektierende Oberflächenmaterialien zum Einsatz kamen.
Raumnutzung
Während der Untersuchung des Projekts wurden 390 Nutzeraktivitäten von uns dokumentiert. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Erfassung der Aktivitäten in den begrünten öffentlich und gemeinschaftlich genutzten Bereichen auf der Grundebene von One Central Park. Einzelne Personen oder Gruppen nutzten diese am Morgen, während der Mittagpause und am frühen Abend. Sitzmöglichkeiten in diesen Bereichen waren dann stark frequentiert und wurden insbesondere genutzt, wenn sie im Schatten von Bäumen lagen. Die meisten Aktivitäten wurden von 9 bis 13 Uhr und von 17 bis 19 Uhr beobachtet. Während der Mittagspause hielten sich Nutzer*innen durchschnittlich 38 Minuten und während des restlichen Tages 15 Minuten in den erfassten Bereichen auf. Die Dauer der Aufenthalte variierte dabei je nach der Aktivität der Nutzer*innen. Zum Beispiel hielten sich Sportler und Sportgruppen dort oftmals mehr als eine Stunde auf. Nutzer*innen und Nutzergruppen, die sich ausruhten und miteinander kommunizierten, verbrachten dort in der Regel etwa 20 Minuten.
Altersgruppen
Erwachsene in der Altersgruppe von 20 bis 39 Jahren stellten rund 78 Prozent der Nutzer dar, gefolgt von der Altersgruppe von 40 bis 59 Jahren mit rund 15 Prozent. Nur wenige Kinder unter 10 Jahren nutzten die begrünten öffentlichen und gemeinschaftlichen Räume, meist am frühen Morgen und am späten Nachmittag zum Spielen in Begleitung ihrer Eltern oder Großeltern. Der Prozentsatz von jugendlichen Nutzern bis 19 Jahre war ebenfalls gering.
Nutzerwahrnehmung
Unsere Nutzerwahrnehmungsstudie zu One Central Park umfasste Interviews mit demografisch unterschiedlichen Personen mit Fragen zu Ihrer Wahrnehmung und Nutzung des Projekts. Die Häufigkeit der Verwendung von Wörtern in den Interviews wurde analysiert und ergab, dass die Nutzer*innen das Projekt insgesamt positiv bewerten und sich gerne und oft darin aufhalten. Viele erwähnten lobend die Fortsetzung der Grünräume und -flächen von der Grundebene in der Vertikalen. 80 Prozent der Befragten gaben an, One Central Park jeden Tag zu nutzen. Alle Befragten schätzten das Projekt und bezeichneten es als ein gelungenes Beispiel für die Integration von Gebäuden und Grünräumen in der Stadt.
Fazit
Central Park und insbesondere One Central Park sind interessante Beispiele dafür, wie die dichte und grüne Stadt der Zukunft baulich umgesetzt werden kann. Der planerische und gestalterische Ansatz dieser Projekte beruht dabei sowohl auf bestehendem als auch auf neuartigem Systemdenken. Ein solcher Ansatz kann einen wichtigen Beitrag zur Schaffung attraktiver Städte durch das Angebot einer breiten Palette von baulichen, ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Vorteilen leisten und so einen Weg zur gesunden und lebenswerten Stadt der Zukunft weisen.
one central Park
- Architekt: Ateliers Jean Nouvel, PTW Architects
- Landschaftsarchitekt: Patrick Blanc, Aspect Oculus
- Projektentwickler: Frasers Property Australia, Sekisui House Australia
- Gebäudenutzung: gemischt, 623 Wohneinheiten und etwa 16.000 m²Gewerbeflächen
- Klimazone: subtropisch
- Adresse: 26-30 Broadway, Sydney NSW 2008, Australien
- Koordinaten: 33°53'04.1"S 151°12'02.3"E
- Fertigstellung: 2014
- Grundfläche: 7550 m²
- Bruttogeschossfläche: 67 626 m²
- Geschossflächenzahl: 8.9
Anmerkungen
¹ Deutsche Stiftung Weltbevölkerung, 2018, Im Jahr 2050 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben, 16.5.2018, www.dsw.org/projektionen-urbanisierung/, letzter Zugriff: 10.9.2020.
² Transforming Cities, Städtische Dichte: Urbanitätsversprechen oder Stressfaktor?, 26.1.2017, www.transforming-cities.de/staedtische-dichte-urbanitaetsversprechen-oder-stressfaktor/, letzter Zugriff: 10.9.2020.
³ Schröpfer, Thomas, 2020, Dense+Green Cities: Architecture as Urban Ecosystem. Basel: Birkhäuser, 2020, DOI: doi.org/10.1515/9783035615111.
4 Central Park Sydney, Foster + Partners' Broadway Corner, Now on Exhibition, www.centralparksydney.com/what-s-on/news-events/2013-march-foster-partners-broadway-corner,-now, letzter Zugriff 15.6.2018.
5 Frasers Property, Central Park, Retail NSW, https://www.frasersproperty.com/what-we-do/our-portfolio/aus_central-park-retailwww.frasersproperty.com/what-we-do/our-portfolio/aus_central-park-retail portfolio/aus_central-park-retail, letzter Zugriff 18.2.2018.
6 Ateliers Jean Nouvel, One Central Park, www.jeannouvel.com/projets/one-central-park/, letzter Zugriff 18.2.2018.
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