Erhard Hirsch

"Kleine Schriften zu Dessau-Wörlitz"

Bücher Historische Parks und Gärten
ISBN 978-3-89923-267-7

712 Seiten, 758 teils farbige Abbildungen mit Fotoimpressionen von Janos Stekovics, gebunden mit Schutzumschlag, 58 Euro, Verlag Janos Stekovics 2011, ISBN 978-3-89923-267-7.

Wenn heute ein Buch zum Gartenreich Dessau-Wörlitz erscheint, stellt sich unmittelbar die Frage, wie sich dieses von den vielen anderen bereits vorhandenen Publikationen unterscheidet. Welchen Mehrwert an Wissen und Lesevergnügen können die 2011 erschienen "Kleinen Schriften zu Dessau-Wörlitz" von Erhard Hirsch bieten und was nehmen wir mit der Lektüre für die aktuelle Gartenkunst und Landschaftsarchitektur mit?

Bei den "Kleinen Schriften" handelt sich um etwa 50 wissenschaftliche Aufsätze des Hallenser Professors Erhard Hirsch. Aus der grauen Literatur hervorgeholt, ist seine umfassende Forschung nun für eine breite Leserschaft zugänglich. Für diejenigen, die einen schnellen Überblick über den Gartenstaat an Elbe und Mulde wünschen, ist der drei Kilo schwere Band trotz der zahlreichen Abbildungen jedoch weniger geeignet. Die Abhandlungen erfreuen eher "grünes" Fachpublikum sowie andere Dessau-Wörlitz-kundige Leserinnen und Leser, die tiefer und akademischer in das Thema einsteigen möchten.

Erwähnenswert bei dieser Lektüre ist jedoch zunächst der Autor selbst: In seinem Vorwort bezeichnet Günter Ziegler ihn als "Wiederbegründer und heutigen Nestor" der Forschung zum Dessau-Wörlitzer Gartenreich. Nicht zuletzt Hirschs Engagement sei es zu verdanken, dass sich die Anlage seit 2000 in das Weltkulturerbe der Menschheit einreiht und unter den Schutz der Unesco gestellt wurde. Im September 2001 zeichnete zudem der ehemalige Bundespräsident, Johannes Rau, die wissenschaftlichen Verdienste des Gartenreich-Forschers mit dem Bundesverdienstkreuz aus. Den Professorentitel hat Erhard Hirsch, so Ziegler, erst 1994 erhalten, da die Ergebnisse seiner Forschung politisch und ideologisch wenig mit dem offiziellen Geschichtsbild der DDR gemein hatten. Hirsch hätte offen "die Nichtachtung der Tradition des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs" kritisiert.

Charakteristisch für seine Forschungen ist, dass der 1928 in Leipzig geborene Germanist und Philologe der Klassik Erhard Hirsch immer wieder "Vater Franz", Leopold III. Friedrich Franz, als bedeutenden Gartenkünstler und Landschaftsgestalter hervorhebt. Dieser hatte 1758 mit 18 Jahren die Regentschaft über das Fürstentum von Anhalt-Dessau übernommen. Von seinen Bildungsreisen durch Großbritannien, Italien und Frankreich angeregt, fing der Fürst an, mit seinem Freund und Berater Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, weite Teile der Elblandschaft umzugestalten. Mit den Wörlitzer Anlagen schuf er den ersten Landschaftsgarten Kontinentaleuropas und inspirierte damit Pückler und Lenné.

Die Auswahl an Aufsätzen in "Kleine Schriften zu Dessau-Wörlitz" überrascht durch ihre Bandbreite. Sie zeigt, wie umfassend das reformerische Wirken des "Friedensfürsten" im Dienste der Aufklärung war und wie dieses im Gartenreich seinen Ausdruck fand. Neben Hirschs Abhandlungen zur Garten- und Landschaftsgestaltung findet der Leser Schriften zu den damals in Dessau-Wörlitz entwickelten Architekturstilen Neugotik und Neoromanik sowie zu Fürst Franz´ Förderung von öffentlichen Bildungseinrichtungen und seiner Toleranzpolitik gegenüber der jüdischen Bevölkerung.

Für alle raumplanenden Disziplinen sind Hirschs Ausführungen zu der Gestaltungsformel des Aufklärers Franz "das Nützliche mit dem Schönen zu verbinden" heute noch lesenswert. Im Hinblick auf die Energiewende und den daraus resultierenden wachsenden "Landschaftsbedarf" ist dieser Grundsatz heute noch aktuell. Vater Franz bemühte sich, so zitiert Hirsch den ehemaligen Professor Hans Kiemstedt für Landespflege von der Universität Hannover, "die Elblandschaft zu gestalten und sie besser nutzbar zu machen". Dies sei der Anfang der "Landesverschönerung" in Deutschland gewesen und mit dem Zusammenwirken der damals raumgestaltenden Kräfte Landwirtschaft, Architektur und Gartenkunst sollten diese vorangetrieben werden. "Im Einklang mit dem Bestreben der Aufklärungsphilosophie, das Leben menschlicher zu gestalten, wurde der Mensch als Mittelpunkt der Landschaftsgestaltung gesehen; man wollte ihn in der Landschaft sich heimischer fühlen lassen und die Landschaft sowohl zu seinem Nutzen verwenden wie zu seiner Freude gestalten". (Erhard Hirsch).

Auch wenn sich das Dessau-Wörlitzer Musterbeispiel aus dem Spätabsolutismus nur schwer mit der pluralistischen Gesellschaft von heute und dem Leben in der Stadt vergleichen lässt, erinnert der Geist von Dessau-Wörlitz dennoch an eine momentane Gartenbewegung: das Urban Gardening. Auch sie verbindet gesellschaftliche Erneuerung mit Gartenkunst. Stadtgärtner eignen sich ungenutzte Freiräume an, beackern und ernten sie gemeinschaftlich. Das Gärtnern kehrt in die Alltagskultur zurück und eine neue Gartenästhetik entsteht. Viele Stadtgärtner sind ideologisch inspiriert und suchen im Zeitalter der Globalisierung eine alternative und selbstbestimmte Lebensform, sowie ein neues Heimatgefühl. Die "Kleinen Schriften zu Dessau-Wörlitz" zeigen unter anderem, wie sich mit den Weltbildern Gärten und Landschaften wandeln. Was bleibt und was Vater Franz mit den heutigen Gartenaktivisten gemeinsam hat, ist die Zuversicht, dass Gärten selbst die Welt verändern können.

Ljubica Heinsen

SUG-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Gärtner/-innen (m/w/d), Stuttgart  ansehen
Gärtner Grünpflege (m/w/d) Darmstadt, Darmstadt  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle grüne Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen