Wie aus einer Brachfläche ein blühendes Gemälde entstand

Naturschutz und Kunst

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Wie funktioniert es, Naturschutz und künstlerische Ambitionen unter einen Hut zu bekommen? Klingt nicht gerade einfach – war es auch nicht: Aus einer brachliegenden, verwilderten Ackerfläche am Ortsrand von Jacobsdorf (Landkreis Oder-Spree) sollte eine großflächige, blühende Wiese für Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und viele andere Insekten geschaffen werden. Diese blühende Fläche sollte aus der Vogelperspektive gesehen auch ein Bild mit Botschaft werden.
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Abb. 1: Das blühende Gesamtkunstwerk als Insekten-Oase. Foto: Patrick Pleul

Herzstück dieses überdimensionalen "Blumen-Gemäldes" sind die aus Pflanzen bestehende, überdimensionale Abbildungen einer Biene, von Waben und ein Ornament der "Blume des Lebens". Blühstreifen und ein grünes "Band" in Form eines Rasenweges als Ergänzung verbinden alles zum großen Ganzen.

Die Idee für diese außergewöhnliche Blumenwiese habe ich schon seit längerem gehabt. Letzten Anstoß zur Umsetzung gab ein Beitrag in der regionalen Tageszeitung unter der Überschrift 'Brandenburg lässt die Insekten im Stich', weil die finanzielle Förderung für Blühstreifen an den Feldern nicht fortgesetzt wird. Das konnte und wollte ich so nicht hinnehmen. Dieser Zeitungsartikel motivierte mich, das Gegenteil zu beweisen. Ich wollte ein Projekt mit Signalwirkung starten, viele Menschen zur Mitwirkung einladen und somit das Thema in der Region verstärkt in den Fokus rücken. Ich bin gelernter Maler, der neben dem Handwerk auch künstlerische Flächengestaltung, Digital-Kunst und Airbrush beherrscht. Gartengestaltung oder Landschaftsplanung waren eigentlich nicht mein Metier und fanden bislang nur im heimischen Garten im Kleinen statt, wo auch eine kleine Insekten-Oase ihren Platz hat.

Die "Blume des Lebens" hatte es mir schon in der Vergangenheit angetan – bei anderen Groß-Projekten in der Landschaft. So wurde das Ornament mit bis zu 60 Metern Durchmesser auf einem Feld sowohl im Schnee als auch im Getreide dargestellt und auf einem zugefrorenen See in das Eis gekratzt.

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Abb. 2: In den „Waben“ sprießen die ersten Ringelblumen. Foto: Patrick Pleul
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Abb. 3: Die "Blume des Lebens" hat einen Durchmesser von circa 18 Metern. Foto: Patrick Pleul

Eine Wildblumenwiese im Großformat aus mehreren künstlerischen Elementen anzulegen, war jetzt eine ganz besondere Herausforderung. Am Anfang war auch noch nicht klar, wie viel Arbeit und Engagement auf mich warten würden, um die Idee umzusetzen. Erste Entwürfe entstanden auf dem Papier. Größe, Farbe und Blütezeit mussten berücksichtigt werden. Überlegen musste ich mit sachkundiger Unterstützung einer Jacobsdorferin auch, welche Blumen zu dem entsprechenden Bild-Symbol passen könnten. Grob berechnet und veranschlagt wurde außerdem, wie viele Pflanzen für das Projekt notwendig werden würden. Deshalb wurde auch ganz schnell die Idee, alles mit mehrjährigen Blühpflanzen anzulegen, aus Kostengründen verworfen.

Zu meinem 60. Geburtstag im September 2022 wünschte ich mir statt Geschenken und Blumensträußen lieber Blumensamen und -zwiebeln. Dabei kam einiges an Blumenmischungen, Saatgut und Zwiebeln zusammen. Privatleute, die von dem Vorhaben erfuhren, spendeten weitere Samen und Krokuszwiebeln. Ein Baumarkt stellte im Spätherbst palettenweise Hornveilchen zum Mini-Preis zur Verfügung, die in der abgelaufenen Saison später weggeworfen worden wären. Mit dem "Start-Kapital" an Samen und Pflanzen war der Anfang gesichert. Mit Eigenkapital wurde der Rest ergänzt.

Die ersten Vorarbeiten für das Blumenwiesen-Projekt fanden im Oktober 2022 statt. Meine Idee steckte Freunde und Nachbarn an, die fleißig mit Spaß und Elan bei Wind und Wetter mithalfen, das Land zu bereinigen. Ein ortsansässiger Landwirt bearbeitete die Brache mit dem mannshohen Unkraut mit großer Technik und die Helfer befreiten die Fläche in mühseliger Handarbeit von den Pflanzenresten und Wurzeln.

Die Grundfläche für die Wiese als Insekten-Paradies wurde zuvor ausgemessen, die künstlerische Idee dafür grob auf dem Computer skizziert und per Hand der Entwurf auf ein A4-Blatt gezeichnet. Eine Herausforderung war es, das Ganze auf die Ackerfläche zu übertragen. Mit dem Zettel als Vorlage wurden die Konturen der drei Symbole angelegt und die Anordnung bestimmt. Viel exakte Geometrie war nötig, um das skizzierte Bild vom A4-Format auf die gewünschte Dimension in die Natur zu projizieren. Mit Hilfe von Pflöcken, Schnüren und den zahlreichen Helfern wurden die Motive – wie mit einem großen "Zirkel" – angelegt und die "Biene", die ja keine geometrische Figur ist, mit der Raster-Methode übertragen.

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Abb. 4: Die Blühstreifen in voller Pracht. Foto: Michael Uy
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Abb. 5: Ein Blütenmeer aus Mohn, Kornblumen und Wucherblumen. Foto: Michael Uy
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Abb. 6: Der Natternkopf war ein beliebter Bienen-Landeplatz. Foto: Michael Uy

Noch im Winter haben wir 1400 gelbe und lila Krokusse in den Boden gesetzt, damit die Bienen im Frühjahr gleich Nahrung finden. Doch das reichte bei der Größe der Fläche längst nicht aus. Kaum ließ sich die Sonne im Lenz des Jahres 2023 etwas länger blicken, starteten die nächsten Arbeiten. Die Abstände für die Blühstreifen wurden mit einem Reihenzieher in den dunklen Boden gezogen. Bis in den Frühsommer hinein wurden kiloweise Samen per Hand auf einer Fläche etwa annähernd so groß wie ein Fußballfeld in die vorbereiteten Streifen ausgesät. Darunter vorwiegend handelsübliche Blumenmischungen aber auch säckeweise Lupine und Phacelia (Bienenfreund). Die Konturen des Symbols der "Blume des Lebens" und der Waben wurde mit Rasensamen angelegt und die Flächen dazwischen mit Blumensamen ausgefüllt. So sollten Blühstreifen und ein Rasenweg für den Betrachter alles zu einem Gesamtbild verbinden.

In den folgenden Wochen hieß es immer wieder Unkraut jäten, denn das wuchs viel schneller als die Aussaat. Das frische Grün der Rasenstreifen musste immer wieder gemäht werden, damit die Konturen erhalten blieben. Die Trockenheit und Sommerhitze erforderten das abendliche Gießen der Blühstreifen. Große Behälter mit Regenwasser wurden aufgestellt, die Flächen vorrangig per Hand mit Gießkanne gegossen. Hilfe und tatkräftige Unterstützung fand ich bei Freunden, Nachbarn, Familienmitgliedern und privaten Sponsoren. Über die Wochen und Monate verteilt kamen insgesamt etwa 35 Mitstreiterinnen und Mitstreiter, der jüngste war vier, die älteste 90 Jahre alt, um mitzuhelfen. Sogar Mitarbeiter einer 20 Kilometer entfernten Gärtnerei hatten von dem Projekt gehört und kamen zu einem Einsatz nach Feierabend und an einem Sonntag, um ehrenamtlich mitzuhelfen.

Die viele Mühe lohnte sich. Auf der 33 mal 120 Meter großen Wiesenfläche wuchsen zum Beispiel gelbe und orangefarbene Ringelblumen in den "Waben"– als Symbol für die Farbe des Bienenhonigs. Die Blühstreifen wurden bunt gehalten mit zahlreichen Blumensorten, darunter Phacelia, Klatschmohn, Kornblumen, Lupine, Tagetes und Wucherblume. Auch marokkanischer Mohn, Färber-Diestel und spanischer Rittersporn gediehen. Wöchentlich konnten die interessierten Gäste Neues und zum Teil Unbekanntes entdecken. Dank einer App auf dem Handy wurde jede Blume bestimmt und somit der Besuch für manch einen zur kleinen Lehrstunde.

Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und viele andere Insekten fanden in diesem Blütenmeer Nahrung im Überfluss und gleichzeitig Unterschlupf. Von Freunden selbstgebaute Insektenhotels, die sehr gut angenommen wurden, und Vogelhäuschen ergänzten das ganze Naturschutz-Vorhaben. Eine Bank lud zum Verweilen ein. Vom Hochstand, auf den man kraxeln konnte, bot sich ein Blick von oben auf die Blühstreifen.

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Abb. 7: Eine Bank bot Platz zum Verweilen. Foto: Michael Uy

Das Naturschutz-Projekt mit seiner künstlerischen Komponente fand eine große Resonanz in der Region. Die Blumenwiese wurde als kleines Paradies für Insekten und Menschen angenommen. Den ganzen Sommer über kamen zahlreiche Besucher aus nah und fern, um sich die blühende Landschaft anzusehen, die vielen Blumen und Insekten zu bestaunen und einfach Freude daran zu haben. Es gingen auch viele Fragen und Anrufe ein, weil Menschen Lust bekommen hatten, ähnliches für die Insekten zu machen. Auch überregional zog das Blumen-Gemälde die Aufmerksamkeit auf sich, weil begeisterte Besucherinnen und Besucher es weitererzählten. Deshalb wäre es schön, auch im kommenden Jahr die Blüh-Wiese für viele Insektenarten weiter am Leben zu halten. Daher hoffen wir nun auf konstruktive Ideen und Patenschaften.

Fazit

Rückblickend wurde festgestellt, dass wegen des hohen Pflegeaufwands die Blühstreifen breiter angelegt werden sollen, damit die zum Teil zarten Blumen in der Masse mehr Stabilität bekommen und auch kräftigen Regengüssen besser standhalten. Die Anzahl der Rasenstreifen, die immer wieder gemäht werden müssen, sollte künftig reduziert werden. Bei den Rasensamen sollte am besten eine niedrig-wachsende Sorte gewählt werden. Nicht bewährt bei der Blumenauswahl auf dem Feld haben sich in diesem Fall Gänseblümchen-Samen, die ansonsten, selbstausgesamt, in jedem Rasen wachsen. Statt preiswerter Blumenmischungen mit teils exotischen Blumen, die zwar hübsch anzusehen sind, würde ich künftig reines, unbehandeltes, dem Klima angepasstes, regionaltypisches Saatgut wählen.

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Abb. 8 Abschlussbild aus der Vogelperspektive mit den Helfern. Foto: Patrick Pleul
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Abb. 9: Auch Kinder halfen begeistert, wie hier Bastian (10). Foto: Michael Uy

Durch den großen Zuspruch der Besucher aus nah und fern sowie die überwältigende Medienpräsenz wurde ich bestärkt, eine neue Idee in die Tat umzusetzen: Auf einer weiteren brachliegenden Wiese – direkt am Jakobsweg in Jacobsdorf – soll eine überdimensionale "Jakobs-Muschel" mit mehrjährigen Blumen entstehen. Daran soll sich ein Rasen-"Jakobsweg" in Form eines Unalome anschließen, das den Lebensweg symbolisiert. Die umgebenden Flächen sollen sich wieder in ein Blütenmeer für die Insekten verwandeln.

 Michael Uy
Autor

Maler

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