Potenziale der Sportvereine für die Stadtentwicklung nutzen

Sport und Grünraumentwicklung

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Grünflächen
Bewegungsfreundliche Grünanlagen fördern die Gesundheit und sollten ausreichend vorhanden und erreichbar sein. Foto: Michael Bührke

Umfragen belegen, dass etwa die Hälfte der Bundesbürger sportlich aktiv ist. Einer Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWI, 2012) zufolge treiben circa 45 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal pro Monat Sport. Die große Mehrheit der Sportlerinnen und Sportler übt ihren Sport selbstorganisiert oder in einem der mehr als 90.000 Vereine aus. Gemessen an der Häufigkeit der Ausübung führen Radsport, Laufen, Schwimmen, Fitness und Wandern die Hitliste der Sportarten an (BMWI, 2012).

Die Entwicklung des Sports ist untrennbar mit den Entwicklungen in anderen Feldern unserer Gesellschaft verknüpft. Die Sport- und Bewegungsbedürfnisse der Menschen sind daher einem steten Wandel unterworfen. Etwa die Hälfte der Bevölkerung nutzt für ihre Sport- und Bewegungsaktivitäten die freie Landschaft, Straßen und Plätze oder Parks. Auch Sportvereine bieten zunehmend Aktivitäten in öffentlichen Parks an, zum Beispiel im Rahmen der Initiative "ParkSport" in Hamburg.

Diese Situation korrespondiert mit der Art und Intensität des Sporttreibens. Mit steigendem Alter gewinnt die "bewegungsaktive Erholung" gegenüber dem Sporttreiben im engeren Sinne immer mehr an Bedeutung, bereits ab einem Alter von 27 Jahren dominiert sie deutlich (Bundesinstitut für Sportwissenschaft, 2009). Die Veränderungen der Altersstruktur und die zunehmende Bedeutung aktiver Gesundheitsvorsorge werden diese Entwicklung weiter verstärken.

Die Förderung des Breiten- und Freizeitsports als Teil der staatlichen Daseinsvorsorge ist primär eine Aufgabe der Kommunen. Diese sind verpflichtet, ihren Bürgerinnen und Bürgern ausreichende und geeignete Räume und Flächen für den Sport zur Verfügung zu stellen.

Veränderte sozio-demographische Bedingungen, flexiblere Arbeitszeiten und gewandelte gesellschaftliche Wertvorstellungen werden die Nachfrage nach informellen öffentlichen Räumen für Sport und Bewegung - insbesondere auch städtischen Grünanlagen - voraussichtlich weiter verstärken.

Angesichts der zuvor skizzierten Veränderungen der Sportnachfrage müssen daher die Kommunen neben Sportstätten im engeren Sinn vermehrt nicht-normierte Sport- und Bewegungsgelegenheiten im öffentlichen Raum bereitstellen. Parks und Grünflächen besitzen in diesem Zusammenhang eine herausgehobene Bedeutung.

Grundsätze für die Entwicklung sport- und bewegungsfreundlicher Grünanlagen

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Diese Entwicklung ist aus Sicht des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zu begrüßen, da sie eine gesunde und bewegungsorientierte Lebensweise fördert. Umso wichtiger ist es, ein quantitativ und qualitativ ausreichendes Angebot sport- und bewegungsfreundlicher Grünflächen vorzuhalten.

Die folgenden strategischen Grundsätze sind für die Verknüpfung von Sport und Stadtgrün von besonderer Bedeutung:

Flächensparend nachverdichten

Wohnungsnahe Grünflächen sind eine wesentliche Voraussetzung für eine gesunde und bewegungsorientierte Lebensweise. Kurze Wege erleichtern den Verzicht auf die PKW-Nutzung und unterstützen so den Klimaschutz.

Die Bevölkerungszunahme in den Städten und die damit einhergehende Notwendigkeit der Nachverdichtung gefährden jedoch den Bestand wohnungsnaher Grün- und Erholungsflächen. Nachverdichtung sollte daher möglichst flächensparend erfolgen und sich auf die (Um-)Nutzung vorhandener Baugebiete konzentrieren.

Grünflächen integriert entwickeln

Die zunehmende Flächenkonkurrenz zwischen Wohnen und Sport beziehungsweise Bewegung erfordert mehr denn je die integrierte und qualitätssteigernde (Weiter-) Entwicklung von Grünflächen im Zusammenspiel unterschiedlicher Fachplanungen. Erforderlich sind multifunktionelle Grünanlagen, die heute und in der Zukunft ein möglichst breites Spektrum unterschiedlicher Nutzungen ermöglichen. Zum einen sollten hierbei die spezifischen Anforderungen von Sport und Bewegung stärker als bisher berücksichtigt werden. Dies betrifft beispielsweise Wegeführungen, die Zuschnitte von Bewegungsflächen und Wegebeläge. Zum anderen können auch Sportstätten harmonisch in Grünflächen oder Parks integriert werden, wie dies beispielhaft im Rahmen der Internationalen Gartenschau 2013 in Hamburg erfolgt ist (vgl. Parksport-Broschüre des DOSB, 2014).

Grüne Netze schaffen

Der Wunsch nach wohnungsnahen Grünflächen darf nicht zu Insellösungen führen. Erforderlich sind Gesamtkonzepte auf der Ebene von Quartier, Stadtteil und Stadt. Als Voraussetzung für wohnungsnahe Sport- und Bewegungsaktivitäten ist für jedes Stadtquartier ein Mindestmaß an Grünflächen vorzusehen, die im Stadtteil und der Gesamtstadt nach Möglichkeit zu einem grünen Netz verknüpft werden (Beispiel: Grüner Ring in Hamburg, Grüngürtel in Frankfurt).

Die Vernetzung von Grünflächen bietet nicht nur ökologische Vorteile (Frischluftschneise, Vernetzung von Lebensräumen), sondern erweitert bei entsprechender Gestaltung auch die Sport- und Bewegungsmöglichkeiten. Aus sportlicher Sicht sind vor allem lineare Strukturen in Form von grünen Achsen oder Grüngürteln bedeutsam, da sie die Ausübung ausdauerorientierter Aktivitäten wie Radfahren, Laufen und Wandern/Nordic Walking begünstigen.

Ein verstärktes Augenmerk ist außerdem auf die Verknüpfung und sportliche Inwertsetzung von Freiräumen in Stadt und Umland zu legen. Regionalparks sind hierfür ein geeignetes und in unterschiedlichen Stadtregionen erprobtes informelles Instrument.

Kooperativ planen

Integrierte und nutzerfreundliche Grünflächenkonzepte erfordern eine kooperative Planung unter Beteiligung aller relevanten Akteure und der Bürgerinnen und Bürger. Der organisierte Sport unter dem Dach des DOSB mit seinem flächendeckenden System von mehr als 90.000 Vereinen, 99 Verbänden und seinen 27,5 Millionen Mitgliedschaften ist hierfür ein geeigneter Partner.

Auf Quartiersebene bieten sich in erster Linie die dort aktiven Sportvereine als Kooperationspartner an, auf übergeordneter Ebene sind dies vor allem die jeweiligen Stadtsportbünde. Auch weiteren relevanten Akteuren, die im Sport- und Bewegungssektor aktiv sind wie Schulen, Kindertagesstätten und Freizeitsportgruppen, sollte hierbei die Mitwirkung ermöglicht werden.

Eine solche Beteiligung fördert nicht nur die Entwicklung und Realisierung maßgeschneiderter Lösungen für die jeweiligen Grünflächen, sondern schafft zugleich Akzeptanz und Identifikation.

Potenziale der Sportvereine für Stadtentwicklung nutzen

Sportvereine machen Kommunen zu Orten mit hoher Lebensqualität und wirken den Spaltungstendenzen in den Städten entgegen. Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass die Förderprogramme, Projekte und Interventionen von Stadtentwicklung und Kommunalpolitik die deutschen Sportvereine und ihre Potenziale nicht umfassender berücksichtigen. Häufig verliert sich bisher die Berücksichtigung des Sports in isolierten Einzelvorhaben. Stattdessen sollten Bund, Länder und Kommunen in der Grünraumpolitik die Strukturen des organisierten Sports systematischer in ihre Handlungsstrategien einbeziehen. Ein wichtiger Anstoß wäre es, Sportstätten und informelle Bewegungsräume stärker als bisher in die Städtebauförderung zu integrieren. Weitere Ansatzpunkte wären eine kreative und stärker mit anderen Handlungsfeldern vernetzte kommunale Sportförderpolitik sowie die intensivere Abstimmung unterschiedlicher Fachbehörden. Im Gegenzug sollte der organisierte Sport stärker als bisher auch von sich aus die Zusammenarbeit mit den für Stadtentwicklung zuständigen Behörden und auch mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren suchen.

Auf lokaler Ebene geht es hierbei weniger um die Realisierung sogenannter Leuchtturmprojekte als vielmehr um die Umsetzung möglichst vieler kleinerer wohnungsnaher Projekte im Sinne einer integrierten Stadtentwicklung.

Freiräume und Grünflächen managen

Das Management von Freiräumen und Grünflächen erfordert klare Strukturen und Verantwortlichkeiten. Grundsätzlich sollte es bei den zuständigen Behörden angesiedelt sein. In enger Abstimmung mit ihnen können jedoch auch Sportvereine die (Mit-)Verantwortung für von ihnen genutzte Areale und die Infrastruktur übernehmen, insbesondere bei der Angebotsentwicklung. Die zahlreichen ehrenamtlichen Funktionsträger bieten hierfür großes Potenzial.

Für größere Parks mit sportlichem Nutzungsprofil sollte die Entwicklung eigener Strukturen in Erwägung gezogen werden. Ein Beispiel hierfür ist der Verein ParkSportInsel e.V. Der Zusammenschluss verschiedener Sportanbieter und weiterer Parkakteure gestaltet und koordiniert die Sport-, Spiel- und Bewegungsangebote im Insel-Park in Hamburg-Wilhelmsburg auf dem Gelände der Internationalen Gartenschau 2013. Dies geschieht in enger Abstimmung mit dem für die Parkpflege zuständigen Bezirk Hamburg-Mitte.

Weißbuch "Grün in der Stadt" - eine politische Initiative zur Stärkung von Stadtgrün und Sport

Mit dem Weißbuch "Grün in der Stadt", welches im Mai 2017 durch Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks vorgestellt wurde, hat sich der Bund ein Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre gegeben. Das Weißbuch definiert zentrale Handlungsfelder und Maßnahmen zur Sicherung und Qualifizierung von Grün- und Freiflächen in den Städten. Dabei geht es unter anderem um eine bessere rechtliche Verankerung der städtischen grünen Infrastruktur, um gezieltere Fördermaßnahmen, die Durchführung von Modell- und Forschungsvorhaben, aber auch um eine verbesserte Kommunikation zwischen den Akteuren.

Aus der Perspektive der sport- und bewegungsbezogenen Dimensionen der Grün- und Freiräume begrüßt der DOSB, dass an mehreren Stellen auf die positiven und gesellschaftlich relevanten Funktionen des Sports explizit hingewiesen wird. Sport sollte ein integraler und nachhaltiger Bestandteil von Stadtentwicklung und -planung und nicht nur ein isoliertes Politikfeld sein. Insgesamt nimmt das Weißbuch an zahlreichen Stellen Sport und Bewegung in den Blick, versteht unter Erholung eben auch bewegungsaktive Erholung und weist dem Stadtgrün auch eine sportbezogene Funktionsdimension zu. Ähnlich der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt oder der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie sowie weiteren umwelt- und stadtentwicklungspolitisch orientierten Grundlagendokumenten des Bundes integriert das Weißbuch Stadtgrün den Sport in seine Handlungsstrategien und Programmatik.

Dieser Ansatz fördert eine gesunde und bewegungsorientierte Lebensweise. Umso wichtiger ist es, ein quantitativ und qualitativ ausreichendes Angebot sport- und bewegungsfreundlicher Grünflächen vorzuhalten. Um dieses Ziel zu unterstützen, stellt das Bundesumwelt- und -bauministerium (BMUB) Städten und Gemeinden mit dem neuen Programm "Zukunft Stadtgrün" in diesem Jahr 50 Millionen Euro zur Verfügung. Im Mittelpunkt des Programms stehen die städtebauliche Förderung des urbanen Grüns und der grünen Infrastruktur in den Quartieren. Sport, Spiel und Bewegung sollten hierbei systematisch integriert werden!

Fazit

Der Stellenwert einer gleichermaßen sport- und präventionsfördernden und somit mehrdimensionalen Freiraumentwicklung wird häufig unterschätzt. Auch und gerade bei der Freiraum- und Grünflächenplanung benötigt es neue Kooperationen zwischen Sportexperten und -vereinen, Gesundheitsexperten, der "stadtgrünen Szene" und Planern.

Die "gesunde und grüne Stadt" ist in diesem Sinne nur als interdisziplinäre Aufgabe, somit als Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen vieler Akteure und insbesondere unter Berücksichtigung von Sport und Bewegung zu verstehen. Eine verdichtete und kooperationsarme Stadt macht bestenfalls "nicht krank" - sie bietet jedoch kein gesundheitsförderndes Umfeld. Nur eine sportgerechte und grüne Stadt kann eine gesundheitsfördernde Stadt sein. Hierzu bedarf es neben der Bereitstellung von Sporträumen für den Vereins-, Wettkampf- und Breitensport auch einer umfassenden Berücksichtigung bei der Grünflächenentwicklung.

Öffentliche Grünflächen in urbanen Räumen dienen schon heute weiten Teilen der Bevölkerung als Sport- und Bewegungsräume. Die Nachfrage wird voraussichtlich weiter steigen. Dem Erhalt und der weiteren Qualitätssteigerung dieser Flächen kommt daher aus sportlicher, gesundheitspolitischer und städtebaulicher Sicht große Bedeutung zu. Der organisierte Sport kann hierbei ein wichtiger Partner sein.

Materialien, Fachpublikationen, Praxisbeispiele, Literaturhinweise

In zahlreichen Fachpublikationen der Stadtentwicklung und -planung wurden Aufsätze und Materialien veröffentlicht, die die Potenziale des Sports für die Stadt- und Freiraumentwicklung verdeutlichen und für eine stärkere Kooperation der entsprechenden Akteure werben sowie Handlungsstrategien aufzeigen. Auf der DOSB-Website wurde eine besondere Rubrik zu dieser Thematik mit interessanten Materialien, Praxisbeispielen und Downloadmöglichkeiten eingerichtet: www.dosb.de/stadtentwicklungwww.dosb.de/stadtentwi...

 Christian Siegel
Autor

stv. Ressortleiter Breitensport, Sporträume DOSB

 Thomas Wilken
Autor

Mitglied der Umweltkommission des DOSB

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